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Wer lügt, gewinnt

Wer lügt, gewinnt

Titel: Wer lügt, gewinnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrícia Melo
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Mäuse gezüchtet wurden. Ein Raum, zum Bersten gefüllt mit Käfigen voller Mäusebabys, die kleiner als mein Daumen waren. Von den Zitzen der Mutter in den Schlund der Schlange, sagte Fúlvia; alle vierzehn Tag werfe ich eine Handvoll von ihnen zu den Schlangen in den Käfig.
    Bevor ich ging, lud sie mich zu einem Vortrag ein, den sie am nächsten Tag vor Beamten der staatlichen Krankenstationen aus dem Landesinneren halten wollte. Sehr fachbezogen und didaktisch, sagte sie, er könnte Ihnen bei Ihrem Buch helfen. Ich sagte zu. So fing es mit uns an.

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    An: Wilmer          Von: José Guber
     
    Der Türke oder Er trug seine Mutter zu Grabe und ging schwimmen, von Richard Higgins
     
    John Sayers, ein guter Kerl, ungeziert und exzentrisch, verliert seine Mutter und vergießt bei der Totenwache keine einzige Träne. (Er trinkt sogar den Milchkaffee, den ihm der Wächter der Kapelle anbietet.) Tage später bringt er am Strand einen Türken um, völlig ohne Grund. Er kommt vor Gericht und wird verurteilt, nicht etwa, weil er den Türken getötet hat, sondern weil er bei der Totenwache für seine Mutter nicht geweint hat. Wilmer, die Geschichte hört sich simpel an, ist aber überaus verwickelt. Sie hat hochinteressante Details, die Staatsanwaltschaft baut ihre gesamte Anklage nämlich auf der Tatsache auf, daß John Sayers bei der Totenwache für seine Mutter, zu der er mit nassem Haar erschien, nicht geweint hat. Wir bringen einen packenden Krimi heraus, der aufzeigen wird, wie absurd unser Justizapparat ist. Bitte umgehend OK geben.

Von: Wilmer            An: José Guber
     
    Es ist Ihnen untersagt Romane über verrückte Exzentriker zu schreiben, die grundlos am Strand Türken ermorden. Haben Sie das Rundschreiben 149 nicht gelesen? Wir bringen keine Türken, Schwarzen, Juden, Indianer, Kinder, Hausangestellten, vom Aussterben bedrohte Tiere oder dergleichen um. Ich verbiete Ihnen außerdem, über irgendein Thema zu schreiben, das sich mit unserem Justizapparat befaßt. Ich will ein neues Exposé.
     
    Vier Monate zuvor, ich surfte gerade im Internet und recherchierte über afrikanische Schlangen, mir schwebte vor, das Strickmuster von Das gefleckte Band für die Serie Feuerspeier abzukupfern, obwohl ich die Geschichte einigermaßen langweilig fand, da stieß ich auf eine Homepage, die mich interessierte. Es war die von Fúlvia. Ich bin Mitglied im Herpetologenverband von São Paulo, gab sie an, und arbeite am Städtischen Institut für Serotherapie. Ich besitze eine Sammlung, zu der eine echte Boa constrictor und eine Netzpython gehören. Wenn Sie sich für diese Tiere interessieren, schrieb sie, Fragen haben oder Informationen wünschen, setzen Sie sich bitte mit mir in Verbindung.
    Das Foto von ihr, eine Schlange um den Arm gewunden, ein Buch in der rechten Hand, zog mich an. Jemand mit einem Buch in der Hand strahlt immer etwas Hoffnungsvolles aus. Kurzes, glattes Haar, dichte Augenbrauen, ganz mein Fall. Ich schickte ihr eine Nachricht und bat um Informationen über Giftschlangen. Ich erklärte ihr, daß ich Autor von Kriminalromanen sei und gerade an einer Geschichte schriebe, in der der Mörder bei seinen Verbrechen Schlangen als Waffen einsetzte. Fúlvia antwortete mir noch am selben Tag und schrieb, das erste, was sie in der Zeitung lese, sei der Polizeiteil, sie könne mir mit Informationen über Vergiftungen durch Schlangenbisse, Gifte und Vergiftungen im allgemeinen weiterhelfen. Wir verabredeten uns für den darauffolgenden Tag in der Abteilung für Schlangenzucht des Instituts.
    An diesem Abend packte mich zu Hause die Unruhe, ich fing zwei Bücher zu lesen an, legte beide gleich nach den ersten Seiten aus der Hand, setzte mich und stand wieder auf, schaltete den Fernseher ein, ging ins Wohnzimmer, zurück ins Schlafzimmer, stöberte meine Regale durch, setzte mich, aß zehn Äpfel, stand auf, nahm eine heiße Dusche, zwanzig Minuten lang unter der Brause. Erst danach gelang es mir zu lesen. Meine Exposés zu schreiben fiel mir nicht leicht. Manchmal mußte ich drei, vier Bücher lesen, um irgend etwas Gescheites zu finden. Das war es, was mir Spaß machte, nicht das Schreiben, ich habe noch nie gerne geschrieben, was mir gefiel, war dazuliegen und zu lesen, ich schlief und wachte Minuten später wieder auf, las weiter, ein paar Seiten, und schlief, mitunter träumte ich bruchstückhaft von den Geschichten, ich erwachte, las noch ein bißchen, aß, schlief, die ganze Nacht ging

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