Wer lügt, gewinnt
Familie abmurksen, oder eben das Gegenteil, ganz ausgeklügelte Verbrechen, das Kunstwerk, der Künstler, ein wohlgeplantes Verbrechen ist doch ein Kunstwerk, findest du nicht?
Bei unserem dritten Treffen geschah es. Sie las gerade irgendwas, ich weiß nicht mal mehr was, ich achtete nicht darauf, ich nahm ihr das Buch aus der Hand und rückte näher zu ihr heran. Küsse, ich drängte sie mit meinem Körper in Richtung Bett. Sie sagte, ich könne es glauben oder nicht, aber sie habe so was noch nie vorher getan, es sei das erste Mal, daß sie ihren Mann betrüge, sie benutzte nicht die Worte betrügen und Mann, sie drückte sich anders aus, sie war mutig, sie war offensiv und zärtlich, sie zog mich am Haar zu sich heran, komm, sagte sie.
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An: Wilmer Von: José Guber
Der schwarze Angorakater, von Hillary McClure
Verschwunden: Nora Waugh, 33 Jahre, Ehefrau des Industriellen und Multimillionärs Thomas Waugh. Der Detektiv Scott Condon übernimmt den Fall. Die Ermittlungen beginnen. Alles deutet darauf hin, daß Nora mit ihrem Geliebten durchgebrannt ist. (Wichtiges Detail: Nora hat ihren schwarzen Angorakater mitgenommen, nach dem sie regelrecht verrückt war, wie die Hausangestellten versichern. Achtung: der Ehemann haßte die Katze und quälte sie ständig, das ging so weit, daß er ihr ein Auge ausriß.) Der Fall wird eingestellt. Am Ende eine überraschende Szene. Thomas Waugh, der Industrielle, lädt Scott, den Ermittler, in seinen Weinkeller ein. (Er ist sehr traurig, weil seine Frau ihn verlassen hat, und will sich mit dem Detektiv zusammen vollaufen lassen). Scott, der Detektiv, ist einverstanden. Im Weinkeller fängt Thomas an, Blödsinn zu reden, in der Art: »Diese Wände sind sehr solide.« Er klopft mit seinem Stock gegen die Wand: »Sehen Sie, wie solide die Wände hier sind?« Da hört Scott etwas, das so ähnlich wie Kindergreinen klingt, einen furchterregenden Schrei, der aus dem Inneren der Wand dringt. Er ruft eine Hilfstruppe herbei, sie reißen die Wand des Weinkellers ein. Die Leiche von Nora Waugh ist darin eingemauert, neben einem kleinen Angorakater, der vor Hunger miaut. Der Ehemann gesteht die Tat.
Von: Wilmer An: José Guber
OK. Exposé genehmigt. Aber lassen Sie uns den schwarzen Kater gegen einen schwarzen Papagei austauschen. Der Millionär, einer von diesen exzentrischen Typen, färbt den Papagei schwarz, nur um seine Frau zu ärgern. Noch etwas: in der Schlußszene vernimmt Scott keinen Schrei, sondern er hört, wie der Papagei ruft: »Sie ist hier, sie ist hier!« Der Rest kann so bleiben. Gruß, Wilmer.
PS: Ich habe es mir anders überlegt. Ich werde Calisto bitten, ein paar Umarbeitungen vorzunehmen und das Exposé für die Serie Horrormonster zu verwenden. Schicken Sie noch heute ein anderes Exposé.
In den folgenden Tagen war ich von einem Gefühl des Wohlbehagens erfüllt, alles schien gut zu laufen, ich fühlte mich ruhig, glücklich, im siebten Himmel. Jeden Morgen kam Fúlvia auf einen Sprung zu mir in die Wohnung, wir kuschelten uns in die Laken, liebten uns, alles war köstlich, sie las meine sämtlichen Bücher, las sie wirklich, mit einer unglaublichen Genauigkeit, gab Kommentare ab, machte Vorschläge, und das war zwar gut, unheimlich gut, aber unheimlich unnütz, da ich sie ja weder mehr umschreiben konnte noch wollte. Fúlvia interessierte sich nicht für blutdürstige Psychopathen. Sie konnte kalauernde Schlaumeier als Detektive nicht ausstehen. Ihre Vorliebe galt solchen Mordfällen, bei denen Opfer und Täter sich kannten, Verbrechen aus Leidenschaft, hinterhältige Teilhaber; sie liebte auch Gift und teuflische Weiber, die zerbrechliche männliche Wesen verführten und ins Verderben lockten. Über nichts diskutierte sie lieber als über das perfekte Verbrechen, ob es nun ohne Vorsatz begangen wurde, das Gelegenheitsverbrechen, wie die Fachleute sagen, oder das bis in alle Details geplante. Sie las mehrfach Eisenbahn in den Tod von Martin Clark. Deine Bücher sollten in Buchhandlungen und nicht an Zeitungskiosken verkauft werden, sagte sie, die Druckqualität müßte besser sein. Mir machte es nichts aus, daß sie an Zeitungskiosken verkauft wurden.
Zu jener Zeit, muß dazu gesagt werden, schrieb ich zwar Bücher, aber ich war kein Schriftsteller, ich war eher so eine Art Arbeiter in der Konservenabfüllung einer Wurstfabrik. Wir hatten eine Frist, um unsere Bücher, die Würstchen,
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