Wer lügt, gewinnt
flüsterte sie mir ins Ohr.
Ich lief zur Garage, da lag er, unter Fúlvias Wagen. Ich bückte mich und zog ihn an den Beinen, er trat um sich, und plötzlich hielt ich die Beinprothese, die sich gelöst hatte, in der Hand. Ich packte ihn am Arm und zog ihn unter dem Auto hervor. Guber? sagte er. Es war keine Frage. Er wußte, daß ich es war. Er machte weder Anstalten zu schreien noch zu kämpfen. Ich richtete die Waffe auf ihn. Worauf wartest du noch? fragte Fúlvia. Halt den Mund, sagte ich. Schieß doch, sagte sie. Ich brachte es nicht fertig, auf den Abzug zu drücken. Schieß endlich, sagte sie. Fúlvia riß mir den Revolver aus der Hand und schoß Ronald in den Kopf. Ein einziger Schuß in die Stirn. Komm, sagte sie, wir haben keine Zeit zu verlieren.
Ich folgte Fúlvia mit langsamen Schritten. Als ich die Küche betrat, hörte ich einen weiteren Schuß. Fúlvia kam aus der Vorratskammer und zerrte die blutüberströmte Leiche der Köchin an den Armen hinter sich her.
Bist du wahnsinnig geworden? fragte ich. Ja, ich bin wahnsinnig geworden, sagte sie, und jetzt hör auf, es gibt keine Zeit zu verlieren, los, hilf mir. Verdammte Scheiße, sagte ich, du hast die arme Frau umgebracht, verdammte Scheiße, hilf mir, sagte Fúlvia, sie hat uns doch nichts getan, sagte ich, es ist eine Frage der Zeit, sagte Fúlvia, irgendwann hätte sie geredet, willst du ein Risiko eingehen? Los, Vorsicht, das Blut tropft auf den Läufer, nimm den Läufer da weg, rief sie.
Wir legten die Leichen von Ronald und der Köchin ins Wohnzimmer und in die Anrichte. Das Blut wischten wir auf und verbrannten die Feudel. Wir verriegelten die Küchentür, und anschließend brach ich sie auf, so wie ein Einbrecher es getan hätte. Wir durchwühlten die Kommoden, rissen die Schubladen auf, warfen Sachen auf den Boden, zerdepperten alles, öffneten den Safe. Schmuckstücke und Dollars wurden in ein Köfferchen gepackt, das Fúlvia in einem Schrank im Haus versteckte. Zuletzt fesselte ich Fúlvia im Wohnzimmer. Sie wollte, daß ich ihr einen Schuß in den Arm oder ins Bein verpaßte, aber mir fehlte der Mut. Schlag mich, sagte sie, als sie schon vollständig gefesselt war. Ich brachte es nicht über mich, sie zu schlagen. Du Idiot, willst du ins Gefängnis kommen, ja? Ich versetzte ihr einen Faustschlag auf den Mund. Tritt zu, sagte sie. Ich trat zu. Noch mal. Es reicht, sagte sie, ich glaube, du hast mir einen Zahn ausgeschlagen.
Ich verkrümelte mich, niemand sah mich hinausgehen. Bevor ich nach Hause fuhr, warf ich die Waffe und die Maske in den Rio Tietê. Am nächsten Morgen rief Laércio an und teilte mir mit, daß schon zweitausendfünfhundert Exemplare von Reichen Sie sich selbst die Hand verkauft worden waren.
Himmel und Hölle
Und laßt der Welt, die noch nicht weiß, mich sagen,
Wie alles dies geschah; so sollt ihr hören
Von Taten, fleischlich, blutig, unnatürlich,
Zufälligen Gerichten, blindem Mord;
Von Toden durch Gewalt und List bewirkt,
Und Plänen, die verfehlt zurückgefallen
Auf der Erfinder Haupt: dies alles kann ich
Mit Wahrheit melden.
William Shakespeare
Hamlet
29
An: João Aroeira Von: Afonso Moraes
Sonderheft
Wie vereinbart schicke ich Ihnen hier die Fragen für das Interview. Ich möchte Sie um den Gefallen bitten, sie mir so bald wie möglich zurückzusenden, da das Interview in der Sonntagsausgabe vom Sonderheft erscheinensoll.
SH: Wozu so viel Geheimniskrämerei um Ihr Privatleben?
AROEIRA: Da gibt es kein Geheimnis. Mein Privatleben geht nur niemanden etwas an. Das ist alles.
SH: Die Fotos von Ihnen, die von der Marketingabteilung des Universalis-Verlages in Umlauf gebracht werden, nötigen den Leserinnen Seufzer ab. Es ist verständlich, daß sie mehr über Sie wissen möchten, zum Beispiel, ob Sie verheiratet sind. Wie ist für gewöhnlich Ihr Tagesablauf? Womit beschäftigen Sie sich gerne?
AROEIRA: Ich bin verheiratet. Mein Leben verläuft absolut normal.
SH: Weshalb geben Sie Interviews nur per Fax?
AROEIRA: Ich habe sehr viel zu tun. Außer meinen Büchern schreibe ich Artikel für verschiedene Zeitschriften und Zeitungen. Ich veranstalte Schulungen für Teams, die landesweit Vorträge über die Technik des symbiotischen Gleichgewichts halten. Auch bin ich dabei, ein Telemarketing-Zentrum aufzubauen, um den Lesern einen besseren Service bieten zu können. Darüber hinaus lerne ich Aramäisch und betreibe Fechtsport. Insofern habe ich keine Zeit,
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