Wer nie die Wahrheit sagt
den beiden gar kein Mann, hat sich bloß als einer verkleidet – Timmy ist in Wirklichkeit eine Sie. Hat sogar ihre Stimme verstellt, sich die Haare schneiden lassen, den ganzen Schmus. Den Profilern ist überhaupt nichts aufgefallen und aus meiner Einheit auch keinem. Statt Tammy war sie für alle Welt nur Timmy.«
»Haben die Geschwister miteinander geschlafen?«, erkundigte sich Tennyson.
»Soweit wir wissen, nein.«
Lily fragte: »Hat MAX euch auf die Spur mit dieser Scheune gebracht?«
»In der Tat. Als wir erfuhren, dass die Tuttles wieder in Maryland waren, da sagte mir mein Gefühl, dass dies ihr Endziel war, dass sie nach Hause gekommen waren, obwohl sie in Utah geboren und aufgewachsen sind. Sie haben die beiden Jungen in Maryland gekidnappt. Also, wo waren sie? MAX sucht immer nach allen Verwandten, wenn wir den Namen eines Verdächtigen eingeben. Er hat tief genug gegraben, um auf Marilyn Warluski zu stoßen, eine Kusine, der das Grundstück gehörte. Und auf diesem Grundstück stand diese alte Scheune.«
Gott sei Dank hatte niemand die Ghule erwähnt.
Lily fragte weiter: »Wie viele Jungen haben die beiden getötet, Sherlock?«
»Ein Dutzend, vielleicht auch mehr. Überall, in sämtlichen Staaten. Wir werden die genaue Anzahl wohl nie erfahren, außer Tammy überlegt es sich und sagt’s uns, aber das ist höchst unwahrscheinlich. Man musste ihr nach Dillons Schuss den Arm amputieren. Ist nicht gerade glücklich darüber, wie ihr euch denken könnt. Gott sei Dank ist jetzt alles vorbei, und den Jungen geht es gut.«
Tennyson fragte: »Du hast sie angeschossen? Geht der tote Bruder auch auf dein Konto?«
»Ja, der Bruder ist tatsächlich tot. Wir waren ein gutes Team«, erwiderte Savich darauf nur.
»Diese armen kleinen Jungen«, sagte Lily. »Ihre Eltern müssen außer sich vor Angst gewesen sein, als man sie entführt hat.«
»Waren sie auch, aber wie gesagt, am Ende ist ja alles gut ausgegangen.«
Schwester Carla Brunswick streckte den Kopf ins Zimmer und sagte: »Jetzt, wo Sie da sind, brauchen wir uns ja um Kriminelle keine Sorgen mehr zu machen. Und jetzt habe ich das Vergnügen, das FBI rausschmeißen zu dürfen. Mrs. Frasier muss ihre Schlaftabletten nehmen. Sagen Sie ihr gute Nacht, Sie auch, Dr. Frasier. Anweisung von Dr. Larch.«
Sie hatten den Krankenhausparkplatz schon erreicht, als es Tennyson einfiel zu sagen: »Tut mir Leid, dass ich nicht schon früher daran gedacht habe, dass ihr ja gerade erst angekommen seid. Ihr wohnt doch sicherlich bei mir, oder?«
»Ja«, sagte Savich, »danke, Tennyson. Wir wären gern in ihrer Nähe.«
Eine Stunde später, nachdem Savich seine Mutter angerufen und ihr versichert hatte, dass kein Grund zur Sorge bestehe, und nachdem er eine Weile am Telefon mit seinem kleinen Sohn geschäkert hatte, schlüpfte er in das große Gästebett in der Mansarde von Tennysons Haus, küsste seine Frau, zog sie fest an sich und fragte: »Was glaubst du, warum hat uns Elcott Frasier wirklich angerufen?«
»Ist doch offensichtlich: Er hat sich Sorgen um seine Schwiegertochter gemacht und wollte uns gleich Bescheid geben. Sehr umsichtig von ihm. Er hat überlegt und nicht gleich deine Mutter angerufen und ihr einen Höllenschrecken eingejagt.«
»Also gut, vielleicht hast du ja Recht. Nach all dem Irrsinn mit den Tuttles sehe ich wohl überall nur noch das Schlimmste.«
Sherlock küsste seinen Hals und kuschelte sich dann wieder an ihn, ein Bein über seinen Bauch gelegt. »All dieses Psychogeschwätz über Lily. Sie versucht sich umzubringen, weil sie nur so Frieden finden kann. Sie rast mit ihrem Auto gegen einen Baum, um ihre Schuld zu sühnen. Das passt irgendwie nicht. Das ist nicht Lily. Ja, ja, ich erinnere mich an das erste Mal. Aber das war damals.«
»Und das ist jetzt.«
»Ja. Nach sieben Monaten. Lily ist nicht neurotisch, Dillon. Ich habe sie immer für sehr stark und ausgeglichen gehalten. Und jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen, weil wir sie so lange nicht mehr besucht haben.«
»Du hast ein Baby bekommen, Sherlock, kaum eine Woche nach Beths Beerdigung.«
»Und Lily war für mich da.«
»Aber nicht direkt dabei – nicht so wie ich. Herrgott, Sherlock, das war der längste Tag meines Lebens.« Er drückte sie fest an sich. Sie küsste ihn auf die Schulter und sagte: »Schau, ich weiß, Lily hat eine harte Zeit durchgemacht. Klar, dass sie Depressionen hat. Aber wir haben seit Beths Tod oft mit ihr geredet. Ich glaube nicht, dass
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