Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn
grüne Tür auf. Sie ließ den Mann vorgehen, blieb auf der Straße stehen und blickte Bäcker nach.
»Jetzt bist du wirklich ein Mann«, sagte sie leise, ging dann schnell ins Haus und trat die Tür zu. Noch im Flur zog sie sich aus, um es schnell hinter sich zu bringen. Für 20 Francs gab es nur die einfache schnelle Bedienung.
Auch bei den Booten war alles wie früher. Ein alter Malaie, der sich als Tolohu vorstellte, führte Bäcker und Rainu über viele Stege, mit denen die Boote untereinander verbunden waren. Mitten in der schwimmenden Stadt verband er ihnen die Augen und nahm die Binde erst wieder ab, als sie in einem dunklen Raum standen. Paul erkannte ihn sofort wieder: das Boot des ›Dritten Kopfes der Großen Sechs‹. Im Hintergrund, nur ein Schemen, stand der unbekannte Führer der Freiheitsbewegung.
»Du willst Dubonnet aufkaufen?« fragte die dunkle Stimme. »Ein guter Gedanke.«
»Ich kann es nicht«, sagte Bäcker. »Er fordert fünf Millionen – ich habe gerade die Hälfte geerbt.«
»Du hast fünf Millionen. Vor dir auf dem Tisch liegt ein Scheck der Nationalbank von Papeete. Schreibe die Summe hin, die dir fehlt, und kaufe Dubonnet. Daneben liegt ein Vertrag.« Der ›Dritte Kopf‹ wartete, aber Bäcker erwiderte nichts.
Nur Rainu verbeugte sich tief und sagte in ihrer Sprache: »Wir gehorchen, großer Herr.«
»Halt!« Paul hob die Hand. »Das ist ein falsches Wort von Rainu. Ich gehorche nicht. In bin ein freier Mensch und bleibe es.«
»Natürlich. Wir werden Partner sein«, sagte der ›Dritte Kopf‹. »Wir können die Firma Dubonnets nicht kaufen, ohne aufzufallen. Aber wenn du sie kaufst, wirst du einen kaufmännischen und einen technischen Leiter einstellen. Es sind unsere Leute, und sie haben in München, Heidelberg und Grenoble studiert. Der Gewinn wird geteilt, wir überweisen deinen Anteil auf dein Konto. Unser Anteil aber wird helfen, die Not unseres Volkes zu lindern. Es ist ein gutes Werk, mein Freund. Sieh deine Frau an, auch ihr Volk ist arm.«
Paul trat einen Schritt vor. Er sah jetzt deutlich, daß zwei Papiere auf dem Tisch lagen: ein kleines, schmales – der Scheck – und ein großer Bogen, eng beschrieben. Daneben lag ein Kugelschreiber.
Bäcker nahm ihn und setzte seinen Namen unter den Vertrag.
»Du liest ihn nicht?« fragte der ›Dritte Kopf‹.
»Wir sind Freunde«, antwortete Bäcker. »Betrügen sich Freunde?«
»Du wirst es nicht bereuen.« Eine lange schmale Hand streckte sich aus der Dunkelheit Bäcker entgegen. »Jede Insel wird deine Heimat sein. Jeder Mensch hier ist dein Bruder.«
Dann waren sie wieder im Freien, wurden mit verbundenen Augen über Stege und andere Boote zurückgeführt, und als man ihnen die Binden abnahm, standen sie wieder am Kai zwischen Fischkörben und aufgespannten Netzen.
»Jetzt nach Papeete!« sagte Bäcker fröhlich. »Dann ist unsere Zukunft kein Geheimnis mehr.«
Er irrte sich.
Nichts ist komplizierter als die Freiheit.
XX
Auch in Papeete wurde Paul Bäcker empfangen, als sei er von den Toten auferstanden. Niemals zuvor war ein Mensch mitten in einem Taifun oder Seebeben gewesen und hatte überlebt. Das war so einmalig, daß am nächsten Tag die Zeitungen und Radiosender überschwenglich von einem Wunder sprachen und Bäcker mit Interviews und Fotografiertwerden voll beschäftigt war.
Wegen der rechtlichen Seite seines Überlebens gab es keinerlei Schwierigkeiten. Der Gouverneur selbst versicherte an Eides Statt, daß dieser Mensch aus dem Nichts Paul Bäcker sei, ihm persönlich bestens bekannt, Sohn eines Vaters, gegen den er jahrelang vergeblich mit aller Staatsautorität angerannt war. Die Todeserklärung wurde aus den Akten gestrichen.
»Es hätte alles anders sein können«, sagte der Gouverneur bei einem kleinen Festbankett im Regierungspalast, das er Bäcker zu Ehren gab. Er saß zwischen Rainu und Paul, und Rainu verbreitete einen Zauber, dem alle erlagen. Sie war in einen engen, goldfarbenen Seidenstoff gewickelt, eine aus Sonnenglanz geborene Göttin. Stolz, schweigsam, alle Schönheit der Südsee ausstrahlend, saß sie an dem langen Tisch, beobachtete die fremden Menschen, lächelte ein paarmal und horchte nach innen.
Er gehört hierher, dachte sie, und ihre schwarzen Augen wurden traurig. Das ist Paulos Welt, nicht die einsame Insel. Er ist ein reicher, mächtiger Mann. Die ›Großen Sechs‹ sind seine Freunde, und auf allen Inseln nennt man seinen Namen mit Hochachtung. Er wird unglücklich
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