Werde mein in Luxor
Sie brach ab, schnappte panisch nach Luft. Sie konnte nicht mehr, sie fühlte sich dem Sterben nah. Nachts ließ man sie nicht schlafen und weckte sie ständig. Mit dieser Folter durch Schlafentzug sollte ihre Kraft völlig gebrochen werden. Oder man ließ sie hungern, um die gewünschten Informationen aus ihr herauszupressen. „Ich versuche wirklich, Ihnen zu helfen“, beteuerte sie. „Sie müssen mir glauben.“
„Ich glaube Ihnen“, gab er fast sanft zurück. Sein Tonfall, der so auffallend anders war, gab ihr den Rest.
Die Tränen schossen ihr in die Augen und rannen ihr heiß über die Wangen. Schnell hob sie die Hand und wischte sie weg. „Ich will nach Hause“, flüsterte sie mit bebender Stimme.
„Ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht, um Sie hier herauszuholen.“
So etwas hatte noch keiner zu ihr gesagt. Niemand hatte ihr auch nur die leiseste Hoffnung gemacht, dass sie diesen schrecklichen Ort je wieder verlassen könnte.
Liv wandte langsam den Kopf. Der Flur war dunkel und voller Schatten, aber sie konnte erkennen, dass der Mann hochgewachsen war – nicht klein und untersetzt wie die Männer, die sie seit Wochen quälten. Und er schien auch beträchtlich jünger zu sein.
Er trug ebenfalls einen Umhang, aber seiner war schwarz und mit Gold bestickt. Seinen Kopf zierte eine blütenweiße Kopfbedeckung, die sein Haar verdeckte und seine scharf geschnittenen Gesichtszüge betonte.
„Ich bin gekommen, um Sie hier herauszuholen“, fuhr er fort. „Aber wir haben nicht viel Zeit.“
Hin und her gerissen zwischen Hoffnung und Bangen, umklammerte Liv ihre Knie noch fester und presste sie gegen ihre Brust. Ihr fadenscheiniger Burnus, die Kleidung aller Gefangenen, fühlte sich rau an auf ihrer Haut. Bei ihrer Festnahme hatte man ihr alles abgenommen, sogar die Kleider, die sie auf dem Leib getragen hatte. Dafür hatte man ihr diesen Umhang und eine Art Unterkleid gegeben, sonst nichts. „Wer schickt Sie?“ Das Gesicht des Mannes gab nichts preis. „Ihr Bruder.“
„Jake?“
Erregt sprang sie auf, aber ihr wurde sofort so schwindlig, dass sie sich an der Wand abstützen musste. „Jake weiß, dass ich hier bin?“
„Er weiß, dass ich nach Ihnen suche.“
Liv atmete tief ein und aus. „Man hat mir gesagt, dass ich nie freikomme. Außer wenn ich gestehe und Namen nenne.“
„Da wusste man noch nicht, dass Sie Verbindungen haben“, gab er zurück.
Liv blinzelte. In ihrem Kopf wirbelte alles durcheinander. „Was denn für Verbindungen? Davon weiß ich nichts.“
„Jetzt wissen Sie es.“
Sie ging nach vorn und umklammerte die Gitterstäbe. „Wie? Warum? Ich verstehe nicht …“
„Ich bin Scheich Khalid Fehz aus Sarq.“
„Sarq grenzt an Jabal“, dachte sie laut.
„Und an Ägypten“, ergänzte er. „Es war nicht ganz leicht, bis hierher zu gelangen, und jetzt sitzt uns die Zeit im Nacken. Ich muss noch ein paar Dinge klären, aber ich bin bald zurück …“
„Nein!“ Liv wollte nicht schreien, aber seine Worte hatten sofort Panik in ihr ausgelöst. „Nein“, wiederholte sie leiser. „Bitte … gehen Sie nicht weg!“
„Es dauert nicht lange, höchstens eine halbe Stunde …“
„Nein“, flehte sie mit brechender Stimme, während sie eine Hand durch die Gitterstäbe schob und verzweifelt seinen Ärmel umklammerte. „Bitte! Lassen Sie mich nicht allein.“
Einen Moment lang schaute er nur schweigend auf ihre Hand, die gegen seine golden gebräunte Haut besonders zart und blass schien. „Ohne die erforderlichen Formalitäten wird man Sie nicht freilassen.“
Ihre Finger krallten sich noch fester in seinen Ärmel. „Bitte … bitte … gehen Sie nicht.“
„Ich bin gleich wieder da, versprochen.“
„Ich habe Angst“, flüsterte sie. „Ich fürchte mich vor den Aufseherinnen. Ich fürchte mich vor der Dunkelheit. Ich fürchte mich vor allem. Hier verschwinden Gefangene, hören Sie?“ Ihr flehender Blick weigerte sich, ihn loszulassen. „Man hört Schreie, schreckliche Schreie, und manchmal kommen die Gefangenen nach einem Verhör nicht zurück.“
„Es ist gleich hier, am Ende des Flurs“, erklärte er geduldig. „Ich bin bald zurück.“
„Aber man wird Sie nicht mehr zurücklassen. Bestimmt nicht. Ich weiß, wie das hier läuft. Irgendwann war der amerikanische Botschafter da, dann ging er weg und kam nie zurück.“
„In Jabal gibt es keinen amerikanischen Botschafter“, erwiderte er. „Es war nur ein Trick, mit dem man
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