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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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her zu gehen. Ich erkannte augenblicklich in dieser Nachahmung den Gang meines Reisefreundes. Ich hatte ihn oft so gesehen, ohne es mir besonders klar zu machen; der Knabe hatte es jetzt genau dargestellt.
    »Ja, ja, der ist es schon,« rief ich, »der ist es schon. Ist er wohl sehr abgetragen und zerrissen?«
    Der Knabe blickte mich stumm an, so daß ich sah, daß die Vorstellung von ganz oder zerrissen nicht in seinem Haupte sei.
    »Nein,« sagte er endlich, »ich glaube nicht, daß sein Gewand zerrissen sei.«
    »Nun, so weise uns nur an, wie wir zu ihm kommen«, sagte ich.
    »Da müßt Ihr noch um das Höllwasser fahren,« antwortete er, »seht, wo dort die Steine liegen. Ich werde auch hinüber gehen, und wenn wir drüben sind, werde ich Euch schon hinauf weisen.«
    Er zeigte hiebei dem Ufer entlang in der Richtung, in der wir zu fahren hatten. Es lag da ein großes Geröllwerk, wie es gerne entsteht, wo Gießwasser in den See gehen, Sand und Steine mitschleppen und diese Dinge wie einen Wall an der Mündung liegen lassen, der von ferne wie ein blendendes Dreieck aussieht. Während der Knabe auf diese Steine zeigte, beschrieb er zugleich mit seinem Arme sehr lebhaft einen Bogen, um anzudeuten, daß wir sie umfahren sollten.
    Wir begannen die Fahrt, und zu gleicher Zeit hüpfte er am Ufer auf den Steinen neben uns her. Wir bemerkten dabei, daß der lange Stab, den er in der Hand hielt, eine starke eiserne Spitze habe, und daß er sich mit Hilfe desselben von Stein auf Stein schwang. Er tat dies sehr behende und sicher, daß wir sahen, daß das Ding oft in einsamen Stunden seine Lieblingsunterhaltung gewesen sein mochte. Weil der Sandhügel ziemlich hoch und lang war, mußten wir zu seiner Umschiffung bedeutend weit in den See hinaus fahren und sahen den Knaben nun von ferne und ganz klein, wie ein graues Hüpfmännchen, in den grauen Steinen sich bewegen.
    Als wir die Mündung umschifft hatten, stand er schon auf dem Rasen und wartete auf uns. Zugleich sahen wir mehrere Ziegen auf dem Grasgrunde, die zwischen den Steinen und dem wenigen Gestrippe kletterten, und zu denen er gehören mochte.
    Da wir nahe genug waren, sagte er: »Da müßt Ihr nun hinauf steigen, bis Ihr in den Felsen, seht dort oben, in die Furche kommt, welche die Tiefspalte heißt – Ihr könnt da wo immer empor steigen; denn alle Ziegenpfade des Grases führen in die Tiefspalte hinauf. In derselben müßt Ihr fort gehen, bis Ihr zu dem Häuschen des alten Hieronymus kommt. Es steht nur ganz allein in der Spalte. Da fragt wieder an, und der alte Hieronymus wird Euch ganz gewiß zu dem Manne leiten, den Ihr sucht.«
    Da ich ihn fragte, ob er mich nicht selber durch die Schlucht, die er die Tiefspalte hieß, hinauf führen und mir manches von dem Manne, den ich suche, erzählen könnte, antwortete er: »Ich kann Euch ja nicht hinauf führen, weil da die Ziegen sind, und von dem Mann kann ich nichts sagen, als daß er es schon ist, den Ihr suchet.«
    Da nun die Sonne noch sehr hoch stand und ein bedeutender Rest des Tages übrig war, so beschloß ich, nach der Weisung des Knaben das Abenteuer zu wagen, um entweder meinen Mann selber zu finden, oder doch etwas Näheres von ihm zu erfahren. Deshalb wendete ich mich zu meinem Fährmanne und sagte: »Gerardo, die Flaschen, die da in dem Korbe stecken, sind Weinflaschen. Jede, wie du siehst, hat auf dem Halse ein Petschaft, welches auf dem Korke so angedrückt ist, daß man ihn nicht heraus nehmen kann, ohne die Buchstaben und die Zierden um dieselben zu verletzen. Wenn du es daher doch tätest, um ein wenig Wein zu trinken und Wasser nachzufüllen, würde ich es erkennen. Hier hast du eine Flasche, die darfst du trinken, die übrigen mußt du unberührt lassen; denn sonst würdest du betrunken werden und müßtest mir den teuren Wein bezahlen. Nun merke auf, was ich dir sage. Ich werde jetzt da hinauf steigen, um in den Bergen nach unserem Manne zu fragen. Du mußt hier in dem Schiffe warten, bis ich entweder selber komme oder dir einen Boten mit der Nachricht schicke, was du tun sollst. Wenn bis zu dem Abende weder ich selbst komme noch ein Bote erscheint, so fahre in das graue Fischerhaus zurück, oder sonst irgend wohin, und bleibe dort über Nacht. Am Morgen aber mußt du wieder auf diesem Platze sein und auf mich warten. Habe auf die Sachen Acht; ich will dir eine meiner Pistolen nebst Pulver und Blei zurück lassen, wenn du mit diesen Dingen umgehen kannst; verpuffe aber nicht etwa aus Kurzweile

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