Werke
Häuschen, von dem der Knabe gesprochen hatte. Es war schneeweiß, stand sehr nahe an dem Felsen und schien von weitem so flach zu sein, als wäre es mit dem Weinlaubgeländer, das hier überall um die Häuser läuft, an die Steine angebunden.
Da ich hinzu gekommen war, klopfte ich an die Tür, worauf eine Magd erschien und mich um mein Begehren fragte.
Ich sagte, daß ich einen Mann mit Namen Hieronymus suche.
»Mein Herr heißt eigentlich Hieronymus Rüdheim,« antwortete sie, »aber die Leute, denen er schon vierzig Jahre Gutes tut, und die ihn betrügen, nennen ihn nur schlechtweg und undankbar den alten Hieronymus. Wartet ein wenig, ich werde es ihm gleich sagen.«
Sie ging hinein und schloß vor mir wieder die Tür.
Nach kurzem öffnete sich dieselbe abermals, und ein alter Mann trat heraus, der den ganzen dichten Tirolerbart in blendend weißer Farbe trug. Er hatte einen schwarzen Rock an, der eine Tirolerjacke gewesen wäre, wenn ihn nicht seine Länge und Weite fast zu einer Kutte gemacht hätte. An der Brust blickten die breiten grünen Hosenträger hervor. Das dunkle Beinkleid reichte bis an die Knie, dort waren silberne Schnallen, dann kamen grüne Strümpfe und schwarze Bundschuhe.
»Was willst du denn?« fragte er mich, indem er unter der Tür stehen blieb.
»Unten am See hat man mir gesagt,« antwortete ich, »daß Ihr mir über einen Mann namens Franz Rikar Auskunft zu erteilen im Stande seid.«
»Gehe herein, ich werde dir etwas zu essen und zu trinken geben«, sagte er.
»Hinein gehen will ich wohl,« antwortete ich, »da es hier vor dem Hause so heiß ist, trinken will ich auch, wenn Ihr mir etwas gebt, aber essen kann ich nichts, da es von meinem Mittagmahle noch gar kurz her ist.«
»Nun, so gehe nur herein«, sagte er.
Ich trat, da er jetzt von der Tür zurück wich, in eine Art Vorhalle ein, die stark gewölbt und sehr angenehm kühl war. Um einen eichenen Tisch, der in einer Ecke stand, liefen Bänke herum, auf deren eine ich mich nieder ließ. Er setzte sich mir gegenüber.
»Marianne,« rief er, »bringe Wein, Brod und sehr frisches Wasser.«
Die Magd, welche sich im Hintergrunde der Halle beschäftigt hatte, entfernte sich, und brachte bald auf einem blanken Untersatze die geforderten Dinge.
»So, greife nun zu und stärke dich«, sagte er.
Ich schenkte mir Wein und Wasser ein, da ich in der Tat durstig war, trank und nahm dann ein Schnittchen von dem weißen, schönen Brode.
»Du willst also über Franz Rikar Auskunft haben?« sagte er.
»Nicht sowohl Auskunft,« antwortete ich, »als vielmehr den Weg zu seiner Wohnung wünschte ich zu erfahren. Wir waren einmal Reisegenossen, dann waren wir ein ander Mal sehr lange Zeit Zimmernachbarn, und versprachen, da wir schieden, daß wir uns, wenn einer in die Nähe des andern käme, besuchen wollten. Da ich nun zufällig durch diese Gegend reise und in Erfahrung gebracht habe, daß er hier herum irgend wo wohne, so möchte ich mein Wort lösen und ihn besuchen.«
»Du bist wahrscheinlich sein Freund von Wien her«, sagte der alte Mann.
»Ja, so ist es«, antwortete ich.
»Ich kann dir schon den Weg zu ihm zeigen,« sagte er, »und werde ihn dir zeigen; aber sage, wer hat dir denn Anweisung gegeben, daß du mich um Franz Rikar fragen sollst?«
Ich beschrieb ihm den Hirtenknaben und sagte, daß mich derselbe in die Schlucht zu ihm herauf gewiesen habe.
»Der Knabe Giuseppe hat schon recht,« sagte er, »ich kenne den Franz Rikar sehr gut und will ihm wohl. Er wird eine große Freude haben, dich zu sehen. Trinke deinen Wein aus, iß noch ein Stückchen von dem Brode, dann werde ich dir den Weg zu ihm zeigen.«
»Ich habe keinen Hunger,« antwortete ich, »und den Durst habe ich mir auch schon gelöscht. Wenn ich aber hier einen Boten haben könnte, der zu dem See hinunter ginge, wäre es mir lieb; denn ich habe einen Fährmann unten gelassen, dem ich gerne eine nähere Botschaft schicken möchte, vorausgesetzt, daß es zu Franz Rikar so weit ist, daß ich heute von ihm nicht mehr zu dem See zurück kommen kann.«
»Es ist so weit,« erwiderte er, »daß du von hier aus wohl bis Sonnenuntergang brauchen wirst, um zu ihm zu gelangen. Ich kann dir keinen Boten geben; denn dies Haus ist das einzige in der ganzen Gegend, und ich bin ganz allein mit der Magd auf der Sommerkühle heroben. Wenn mein Hausmeier oder sonst jemand von meinen Leuten zugegen wäre, würde ich ihn dir zu Rikar mit geben oder zu dem See hinab schicken, wie du
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