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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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die Jungfrau in der Hand hat, und von dem die breiten weißen Bänder nieder gehen: da erblickte ich, wie sie mich ansah und auf die goldenen Flimmer, auf die Blätter, auf die Stängel und auf die Bänder nieder wies.«
    »Geh, du bist nicht recht vernünftig«, sagte eines der Mädchen.
    »Ich bin doch vernünftig, und werde die Sachen bekommen«, antwortete Hanna.
    Die Kinder fing es an zu schauern, und da die Dämmerung auch schon sehr stark herein zu brechen begann, gingen sie allmählich nach Hause. Einige gingen um die Wölbung des Berges herum nach Oberplan; aber Hanna ging über den Berg nach Pichlern. Sie ging an den grauen, kaum mehr recht sichtbaren Steinen vorbei, an den schwarzen Wachholderstauden, an den dunkeln Föhrenstämmen, und kam in das weiße Häuschen, als auf der Leuchte schon das helle Feuer brannte und ihr ihre Mutter daran eine Suppe kochte.
    Von dieser Zeit an wuchs Hanna heran und entwickelte sich immer mehr und mehr.
    Sie ging noch in die Schule, sie ging immer allein, und wenn sie zum Lesen aufgerufen wurde, stand sie sittsam auf und erhob die Stimme.
    Sie hatte immer ein weißes, leinenes Tüchlein um den Busen, auf welches ihre dunkeln Augen hinab schauten und ihre noch dunkleren Wimpern hinab zielten. Um das Haupt hatte sie ein färbiges Tuch gebunden, das nach der Sitte der Gegend im Nacken in einen Knopf gewunden war und die breiten Zipfel auf den Rücken hinab gehen ließ. Als Röcklein hatte sie dasjenige an, das sie bisher immer angehabt hatte.
    Als sie erwachsen und so groß war wie die andern Mädchen von Pichlern, die man für erwachsen erklärte, ging sie nicht mehr in die Schule, und war meistens in dem weißen Häuschen ihrer Mutter. Man wußte nicht, ob sie dort etwas arbeitete, oder was sie sonst tat. Wenn sie aber doch mit den Leuten des Müllers auf die Wiese Heu zu rechen, oder sonst irgend wohin ging, war sie nicht wie die andern, sondern wie eine, die am Sonntage aus der Kirche geht. Sie gab sehr Acht, daß sie sich nicht beschmutze, und wich mit ihren Füßen den rauhen Stellen und der Nässe aus. Seit sie erwachsen war, ging sie auch nicht mehr barfuß, sondern hatte immer Strümpfe und Schuhe an, die besser waren, als die andern an Feiertagen hatten.
    Obwohl sie sehr wenig gesehen wurde, so ward die zarte Schönheit ihrer Wangen und der Glanz ihrer Augen doch weit und breit bekannt, und mancher Wandersmann, den man durch die Föhren gehen sah, ging ihretwegen, und manches Lied, das nachts in der Gegend erschallte, wurde ihretwegen gesungen. Selbst Söhne reicher Bauern waren darunter, und wenn auch ihre Eltern dachten, das arme Mädchen könne keine Schwiegertochter abgeben, so meinten die Söhne, daß sie eine sehr gute Schwiegertochter wäre, und hielten es für ein Glück, wenn sie nur einmal mit ihr an dem Holzstoße vor dem Häuschen oder unter den grauen Wachholderstauden des Berges reden und von ihr zärtliche Worte und freundliche Blicke erhalten könnten.
    Aber das Glück wurde keinem zu Teil, außer einem einzigen. Er war nicht der Schönste unter allen, ja er war vielleicht weniger schön als alle andern, er war ein schlanker Mann mit blitzenden Augen und ungemeiner Kraft in seinem Körper, und die Leute sagten, Hanna fürchte und liebe ihn. Er war ein Holzknecht in den oberen Wäldern, der lange Hanns geheißen, aber er war sehr ehrbegierig und stolz, arbeitete tüchtig, trug Sonntags schöne Kleider, klimperte mit dem Gelde in der Tasche, und litt keinen Schimpf und Hohn, wie gering er auch war, sondern nahm den Schimpfenden an dem Kragen des Hemdes oder an der Schulter und warf ihn in das Gras, oder in den Sand, oder in eine Rinne, wie es kam. Dieser Hanns ging oft in das weiße Häuschen zu Hanna, er brachte ihr alles, was er erarbeiten konnte, daß sie nichts entbehre und ihren Leib schmücken könne. Die Leute behaupteten, sie sei auch dankbar, indem sie sagten, daß sie gesehen hätten, wie sie neben den grauen Steinen und grauen Sträuchen ihre Arme um ihn geschlungen und mit ihren Lippen ihn geküßt hätte.
    So war es auch, Hanns hatte selber kein Hehl darüber, er ging immer zu Hanna, und alle Menschen wußten, daß sie Liebende und Geliebte seien.

2. Der bunte Schlag
    Wenn man gegen das Oberplaner Tal hingeht und sein Angesicht gegen Westen wendet, so sieht man in dem fernen Blau der Wälder, die man da vor sich hat, allerlei seltsame Streifen hinziehen, die meistens rötlich matt leuchtend und dämmerig sind. Sie sind Holzschläge, und

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