Werke
allein in die Berge gehört und mit den Bergen eins ist. Die Wolken, ihre Bildung, ihr Anhängen an die Bergwände, ihr Suchen der Bergspitzen, so wie die Verhältnisse des Nebels und seine Neigung zu den Bergen waren mir wunderbare Erscheinungen.
Ich bestieg in diesem Sommer auch einige hohe Stellen, ich ließ mich von den Führern nicht bloß auf das Eis der Gletscher geleiten, welches mich sehr anregte und zur Betrachtung aufforderte, sondern bestieg auch mit ihrer Hilfe die höchsten Zinnen der Berge.
Ich sah die Überreste einer alten, untergegangenen Welt in den Marmoren, die in dem Gebirge vorkommen, und die man in manchen Tälern zu schleifen versteht. Ich suchte besondere Arten aufzufinden, und sendete sie nach Hause. Den schönen Enzian hatte ich im früheren Sommer schon der Schwester in meinen Pflanzenbüchern gebracht, jetzt brachte ich ihr auch Alpenrosen und Edelweiß. Von der Zirbelkiefer und dem Knieholze nahm ich die zierlichen Früchte. So verging die Zeit, und so kam ich bereichert nach Hause.
Ich ging von nun an jeden Sommer in das Gebirge.
Wenn ich von den Zimmern meiner Wohnung in dem Hause meiner Eltern nach einem dort verbrachten Winter gegen den Himmel blickte, und nicht mehr so oft an demselben die grauen Wolken und den Nebel sah, sondern öfter schon die blauen und heiteren Lüfte, wenn diese durch ihre Farbe schon gleichsam ihre größere Weichheit ankündigten, wenn auf den Mauern und Schornsteinen und Ziegeldächern, die ich nach vielen Richtungen übersehen konnte, schon immer kräftigere Tafeln von Sonnenschein lagen, kein Schnee sich mehr blicken ließ, und an den Bäumen unseres Gartens die Knospen schwollen: so mahnte es mich bereits in das Freie. Um diesem Drange nur vorläufig zu genügen, ging ich gerne aus der Stadt und erquickte mich an der offenen Weite der Wiesen, der Felder, der Weinberge. Wenn aber die Bäume blühten und das erste Laub sich entwickelte, ging ich schon dem Blau der Berge zu, wenngleich ihre Wände noch von mannigfaltigem Schnee erglänzten. Ich erwählte mir nach und nach verschiedene Gegenden, an denen ich mich aufhielt, um sie genau kennen zu lernen und zu genießen.
Mein Vater hatte gegen diese Reisen nichts, auch war er mit der Art, wie ich mit meinem Einkommen gebarte, sehr zufrieden. Es blieb nämlich in jedem Jahre ein Erkleckliches über, was zu dem Grundvermögen getan werden konnte. Ich spürte desohngeachtet in meiner Lebensweise keinen Abgang. Ich strebte nach Dingen, die meine Freude waren und wenig kosteten, weit weniger als die Vergnügungen, denen meine Bekannten sich hingaben. Ich hatte in Kleidern, Speise und Trank die größte Einfachheit, weil es meiner Natur so zusagte, weil wir zur Mäßigkeit erzogen waren, und weil diese Gegenstände, wenn ich ihnen große Aufmerksamkeit hätte schenken sollen, mich von meinen Lieblingsbestrebungen abgelenkt hätten. So ging alles gut, Vater und Mutter freuten sich über meine Ordnung, und ich freute mich über ihre Freude.
Da verfiel ich eines Tages auf das Zeichnen. Ich könnte mir ja meine Naturgegenstände, dachte ich, eben so gut zeichnen als beschreiben, und die Zeichnung sei am Ende noch sogar besser als die Beschreibung. Ich erstaunte, weshalb ich denn nicht sogleich auf den Gedanken geraten sei. Ich hatte wohl früher immer gezeichnet, aber mit mathematischen Linien, welche nach Rechnungsgesetzen entstanden, Flächen und Körper in der Meßkunst darstellten und mit Zirkel und Richtscheit gemacht worden waren. Ich wußte wohl recht gut, Daß man mit Linien alle möglichen Körper darstellen könne, und hatte es an den Bildern meines Vaters vollführt gesehen; aber ich hatte nicht weiter darüber gedacht, da ich in einer andern Richtung beschäftigt war. Es mußte diese Vernachlässigung von einer Eigenschaft in mir herrühren, die ich in einem hohen Grade besaß, und die man mir zum Vorwurfe machte. Wenn ich nämlich mit einem Gegenstande eifrig beschäftigt war, so vergaß ich darüber manchen andern, der vielleicht größere Bedeutung hatte. Sie sagten, das sei einseitig, ja es sei sogar Mangel an Gefühl.
Ich fing mein Zeichnen mit Pflanzen an, mit Blättern, mit Stielen, mit Zweigen. Es war anfangs die Ähnlichkeit nicht sehr groß, und die Vollkommenheit der Zeichnung ließ viel zu wünschen übrig, wie ich später erkannte. Aber es wurde immer besser, da ich eifrig war und vom Versuchen nicht abließ. Die früher in meine Pflanzenbücher eingelegten Pflanzen, wie sorgsam sie
Weitere Kostenlose Bücher