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Die Kornmuhme (German Edition)

Die Kornmuhme (German Edition)

Titel: Die Kornmuhme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H. Schreiber
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Aufbruch
1
    An einem nasskalten Frühjahrsabend
verstarb Gerolf Ungram ganz unerwartet. Er hatte nur noch wenige Stunden bis
Urmitz zurückzulegen. Es regnete und schneite gleichzeitig und er zog seinen
Hut noch tiefer ins Gesicht. Das Wetter verschlechterte sich zunehmend und die
Temperaturen fielen, wie immer auf dem Weg zu diesem verfluchten Dorf.
    Gerolf war Kaufmann aus
Leidenschaft, und dank seiner Kühnheit und seines Übermutes zu bescheidenem
Reichtum gelangt.
    Die Urmitzer warteten schon
ungeduldig auf ihn. Ihr kleines Bergdorf lag weit abgelegen hinter dem Kamm
südlich des großen Flusses, versteckt im Raunewald in einer kleinen Talsohle.
Schon seit unzähligen Generationen siedelten Urmitz´ Einwohner nun hier. Das
Dorf bestand aus etwa drei Dutzend Höfen und der alten Dorfschenke >>Zur
letzten Unze<<. Der verfluchte Wald, der das Dorf umgab, schnitt seine
Bewohner fast vollkommen von der Außenwelt ab und machte es sogar Kaufleuten
schwer, mit den Urmitzern Handel zu treiben.
    Die Kaufleute waren die Schlagader
der Berge und für die nicht selten von Armut und Einsamkeit geprägten Dörfer,
oftmals die einzige Verbindung zur Außenwelt. Sie erzählten den Urmitzern von
anderen Städtchen und Dörfern in weiter Ferne und von ihren Menschen. Von
Nordbruch und Hoxberg, von Mauldorf und dem Fischerdörfchen Zwille weit unten
am Fluss. Man ließ Grüße ausrichten an die Unbekannten, und manches Mal
arrangierte ein Kaufmann ein Tauschgeschäft über weite Strecken, an dem er ein
wenig mitverdiente.
    Ansgar, der Wirt der Dorfschenke,
die der einzige Lebensmittelpunkt in Urmitz war, ließ gar jedes Jahr einen Ulk
mit einem ihm völlig unbekannten Mauldorfer austauschen. Und jedes Mal, wenn
der Kaufmann im Frühjahr vorüberkam und die ihm aufgetragene Geschichte über
die Berge brachte, lachte er herzlich und lange über den urtümlichen Humor der
Menschen im Norden.
    Niemand sonst jedoch wagte es, die
sicheren Inseln inmitten der unendlich riesigen, verwunschenen Wälder zu
verlassen und es mit allen wahrhaftigen oder befürchteten Kreaturen
aufzunehmen, die sich darin tummeln mochten. Abends saßen die Urmitzer oft
gemeinsam am Feuer und erzählten wunderliche Geschichten über die erstaunlichen
Bewohner der endlosen, bewaldeten Hügellandschaften um sie herum. Aber auch von
Räubern, Wegelagerern und Wölfen wussten einige zu berichten, obwohl keiner von
ihnen sich je wirklich tief in den Wald hinein gewagt hatte, geschweige denn
durch den Raunewald hindurch auf die andere Seite gegangen war.
    Die Kaufleute waren ehemalige
Brotknechte, die - um dem winterlichen Hunger und der immer währenden Armut
ihrer Dörfer zu entkommen - es gewagt hatten, mit den Geschöpfen der Wälder
magische Abkommen zu schließen, um ihre Gebiete betreten zu dürfen. Sie
unternahmen abenteuerliche Reisen von Dorf zu Dorf und nahmen wochenlange
Wanderungen und unzählige Gefahren auf sich. Der Lohn für ihre Mühe und ihren
Mut war, dass so mancher unter ihnen – vorausgesetzt er stellte es geschickt an
- beneidenswerten Reichtum erlangte. Andere, ungeschicktere oder dümmere
brachen die Pakte mit den Wesen in den Wäldern und rannten geradewegs in ein
grausames Schicksal hinein.
     
    Gerolf war spät dran. Die Sonne,
sofern sie überhaupt mal hinter den dicken Wolkenbergen hervorlugte, räumte
schon für den Mond ihren Platz.
    Er gab seinem Gaul die Sporen und
fluchte leise, als ihm ein scheußlich kaltes Rinnsal aus seiner Hutkrempe den
Nacken hinunterlief. Das Tier trottete müde voran, kaum schneller als zuvor.
Gerolf wärmte sich jetzt schon mit seinen Gedanken an dem Mahl, das ihm in der
letzten Unze vorgesetzt würde - Griebenschmalz mit einem ganzen Laib Brot. Dazu
eine Suppe aus Allerlei. Es passte ihm gut, dass die Dörfler sich sehr um die
Kaufleute bemühten, da einzig sie ihnen die Möglichkeiten gaben, heiß begehrte
Ware, wie Garn, Nadel und Zwirn, neue Sichelblätter für die Sensen und allerlei
Anderes, zu erstehen, das sie nicht selber herstellen konnten.
    Das letzte Mal hatte Gerolf
Ansgars Gastfreundschaft völlig unverfroren und bis aufs Letzte ausgereizt -
gespeist, getrunken und geschlafen, tagelang, so dass dieser ihn fast der
Wirtschaft verweisen musste.
    >> Versteh mich nicht
falsch<<, hatte Ansgar ihn eines Abends mit gedämpfter Stimme in der
Stube angesprochen und nervös den Zipfel seines Kilts zwischen den Fingern
gedreht, >> du bist mein Gast, Gerolf, und ich schätze dich sehr, aber du
frisst mir

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