Werke
glücklich als die Verbindungen älterer Frauen mit jüngeren Männern. Bei mir kommt noch ein Gutes dazu, daß ich nie eine Gattin gehabt habe, also um keine traure, und daß kein Vergleich zwischen einer frühern und einer spätern angestellt werden könnte. Aber dessenungeachtet denke ich an keine Verbindung. Sie hat auch bei mir wie bei dir etwas nicht Passendes. Und das Schiefe der Sache mag auch ich dir und unserem Geschlechte nicht antun. Und so bleibe ich, wie ich bisher gewesen bin. Dieses ist meine Meinung über mich.«
»So sind wir in dieser Hinsicht eines Sinnes«, sagte die Tante.
»Wir sind wieder eines Sinnes, wie wir es so oft gewesen sind«, antwortete der Oheim.
»Was ist aber nun weiter zu tun?« sagte die Tante. »Es ist ein Glück, daß die Leute ihre Gefühle bisher noch nicht deutlicher dargelegt haben.«
»Sie empfinden etwas Ungeheuerliches in der Sache, das zeigt die Spannung, und sie wagen sich nicht vorwärts. Aber die Lösung muß gefunden werden«, sprach der Oheim.
»Wäre das«, sagte die Tante.
»Weil es nur ein Irrtum ihrer verwandtschaftlichen Gefühle ist,« antwortete der Oheim, »so wird durch den rechten Weg die Aufhellung gewiß kommen.«
»Werden wir den rechten Weg ergründen?« fragte die Tante. »Versuchen wir es«, antwortete der Oheim. »Sie dürfen keine Gegenneigung ahnen.«
»Aber wie werden wir die Verwandtenneigung und die andere Neigung abwägen?« fragte die Tante.
»Nun, du hast dein Ansehen und deine Würde ja immer im Stande gehalten, und ich werde bestrebt sein, das gleiche zu tun«, antwortete der Oheim.
»Und dann?« fragte die Tante.
»Ich denke auch an eine zeitliche Trennung«, erwiderte der Oheim.
»Wohl,« sagte die Tante, »aber wie?«
»Der Neffe ist in der Verwaltung seines Gutes, er hat sich für diese Zeit jetzt eingelebt, wir können ihn nicht, ohne daß er auf den Kern der Sache käme, entfernen. Eben so kann kein Grund aufgefunden werden, die Nichte von dir zu geben. Also müssen wir beide von dem Platze fort. Ich meine, wir rüsten uns, und machen eine Reise«, sagte der Oheim.
»Das war mir auch schon in dem Herzen,« sprach die Tante, »obgleich ich schon lange her an keine Reise mehr dachte.«
»Ich habe auch nie an eine Reise gedacht«, sagte der Oheim. »Siehst du, Gerlint, wie du, als ich dir einmal zu dem Geburtstage Perlen gab, und du mir desselben Tages zu dem Geburtstage Perlen gabst, gesprochen hast, daß wir immer die nämlichen Gedanken haben, so haben wir sie.«
»Die Reise müßte aber bald angetreten werden, und länger dauern«, sprach die Tante.
»Sobald du mit deinen Vorbereitungen fertig bist, mag sie beginnen,« sagte der Oheim, »ich kann jeden Tag gehen.«
»Meine Vorbereitungen werden nicht viele Zeit in Anspruch nehmen«, antwortete die Tante.
»Und was die Dauer anbelangt,« sagte der Oheim, »so können wir sie nach den Umständen länger oder kürzer machen. Wir werden wohl erfahren, wie es zu Hause steht, zum Teile auch aus den Briefen der beiden selber, die wir aber durch Verzögerungen der Antworten zu seltenen machen müssen.«
»Wenn nur alles fruchtet«, sprach die Tante.
»Unsere Nichte Gerlint«, antwortete der Oheim, »hat sich in die Geschäfte deines Gutes eingeübt, daß du ihr beruhigt die ganze Verwaltung übertragen kannst. Ich werde Dietwin die Oberleitung von Weiden geben. Sie können sich schicklicher Weise nur sehr selten besuchen, sind also viel allein, viel beschäftigt, und das wird wirken. Und weil ihre Empfindungen etwas Unnatürliches haben, und weil die Natur nach dem Natürlichen drängt, so ist vielleicht die Lösung leichter, als wir ahnen.«
»Nun, so machen wir in Gottes Namen die Reise«, sagte die Tante. »Du mußt sie den beiden ankündigen.«
»Ich werde es morgen tun,« antwortete der Oheim, »weil Dietwin in dem Schlosse bleibt.«
»So erfüllen wir unsere Pflicht«, sprach die Tante.
»Weil wir nur so einig sind«, entgegnete der Oheim.
»Der Himmel erhalte die Eintracht der Geschwister, sie ist ein großes Gut«, sagte die Tante.
»Sie ist eines,« sprach der Oheim, »und sie wird auch dauern. Und also, lebe wohl, Gerlint, und morgen nach dem Essen reden wir etwa davon, wohin wir denn reisen wollen.« »Denke darüber nach,« sagte die Tante, »ich werde es auch tun. Und lebe wohl.«
Nach diesen Worten erhoben sie sich von ihren Sitzen, und der Oheim verließ das Gemach.
Als des andern Tages nach dem Frühmahle noch alle bei einander saßen, sagte
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