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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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bedeckt waren, sich gesenkt, und sie dächte nach. Eine solche reine, feine Geistigkeit war in ihren Zügen, wie ich sie an ihr, die immer die tiefste Seele aussprach, doch nie gesehen hatte. Ich verstand auch, was die Gestalt sprach, ich hörte gleichsam ihre inneren Worte: »Es ist nun eingetreten!« Sie hatte mich nicht kommen gehört, weil der Teppich den Fußboden des Ganges bedeckte, und sie konnte mich nicht sehen, weil ihr Angesicht gegen Süden gerichtet war.Ich beobachtete nur zwei Augenblicke ihre sinnende Stellung, und ging dann leise vorüber und die Treppe hinunter. Es erfüllte mich gleichsam mit einem Meere von Wonne, Natalien von der nämlichen Empfindung beseelt zu sehen, die ich hatte, von der Empfindung, sich das errungene, kaum gehoffte und so hoch gehaltene Gut geistig zu sichern, sich klar zu machen, was man erhalten hat, und in welche neue, unermeßlich wichtige Wendung des Lebens man eingetreten sei. Ich konnte es kaum fassen, daß ich es sei, um den eine Gestalt, die das Schönste ausdrückt, was mir bis jetzt bekannt geworden ist, eine Gestalt, die man wohl auch stolz geheißen, die sich bisher von jeder Neigung abgewendet hatte, in diese tiefe sinnende Empfindung gesunken sei. Ich dachte mir, daß ich, so lange ich lebe, und sollte mein Leben bis an die äußerste Grenze des menschlichen Alters oder darüber hinaus gehen, mit jedem Tropfen meines Blutes, mit jeder Faser meines Herzens sie lieben werde, sie möge leben oder tot sein, und daß ich sie fort und fort durch alle Zeiten in der tiefsten Seele meiner Seele tragen werde. Es erschien mir als das süßeste Gefühl, sie nicht nur in diesem Leben, sondern in tausend Leben, die nach tausend Toden folgen mögen, immer lieben zu können. Wie viel hatte ich in der Welt gesehen, wie viel hatte mich erfreut, an wie vielem hatte ich Wohlgefallen gehabt: und wie ist jetzt alles nichts,und wie ist es das höchste Glück, eine reine, tiefe, schöne menschliche Seele ganz sein eigen nennen zu können, ganz sein eigen.
    Ich ging durch das Pförtchen hinaus, das ich nur angelehnt fand, und ging auf dem Wege fort, der an dieser Seite vor dem Schlosse vorbei führt, und dann in die Felder hinaus geht. Er ist breit, mit feinem Sande belegt, und eignet sich daher seiner Trockenheit willen ganz besonders zu Morgenspaziergängen. Er ist von dem vorigen Besitzer des Schlosses angelegt und von Mathilden verbessert worden. Er geht von dem Pförtchen nach beiden Richtungen, nach Norden und nach Süden, ziemlich weit fort und bildet auf diese Weise zu dem Schlosse eine Berührungslinie. Roland hatte ihn scherzweise auch immer den Berührweg genannt. Die Obstbäume, die ihn jetzt häufig säumen, hat Mathilde meistens schon erwachsen an ihn versetzt. Früher war der ganze Weg eine Allee von Pappeln gewesen; allein da er ganz gerade durch die Gegend geht und mit den geraden Bäumen bepflanzt war, so erschien er sehr unschön und für einen Lustweg, was er sein sollte, wenig geeignet. Nach Beratungen mit ihren Freunden hatte Mathilde die Pappeln, welche außerdem auch den Feldern sehr schädlich waren, nach und nach beseitigt. Sie waren gefällt und ihre Wurzeln ausgegraben worden. Da man die Obstbäume an ihre Stelle setzte, vermied man es absichtlich, an allen Plätzen, an welchen Pappeln gestanden waren, Obstbäume zu pflanzen, damit nicht wieder statt der Pappelallee eine Obstbaumallee würde, was zwar minder unschön als früher gewesen wäre, aber doch immer noch nicht schön. Durch diese Unterbrechung der Baumpflanzung erhielt der Weg, dessen gerade Richtung schwer zu beseitigen gewesen wäre, und die doch sonst zu eigentümlich war, als daß man sie hätte abändern sollen, wenn man nicht alles nach ganz neuen Gedanken einrichten wollte, die nötige Abwechslung. Mitternachtwärts von dem Schlosse führt er durch Wiesen und Felder an Gebüschen hin, steigt dann zu einem Walde hinan, in welchen er eine Strecke eindringt. Südwärts geht er durch Felder, hat dort besonders schöne Apfelbäume an seinen Seiten, wölbt sich sanft über einen Ackerrücken und gewährt von ihm eine schöne Aussicht in die Gebirge.
    Ich schlug die Richtung nach Süden ein, wie ich überhaupt sehr gerne bei dem Beginne eines Spazierganges so gehe, daß ich leicht nach Mittag sehe, das Licht vor mir habe, und in den schöneren Glanz und die lieblichere Färbung der Wolken blicken kann. Der Himmel war wie gestern ganz heiter, die Sonne stand in seinem östlichen Teile und begann

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