Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
Augenblicke zu mir: »Ihr tretet nun zu jemandem, der mir nahe ist, in ein inniges Verhältnis; es ist billig, daß Ihr alles wisset, wie es in dem Sternenhofe ist, und in welchen Beziehungen ich zu demselben stehe. Ich werde Euch alles darlegen. Damit Ihr aber in noch viel größerer Ruhe seid und mit Klarheit das Mitgeteilte aufnehmen könnet, so werde ich es Euch erzählen, wenn Ihr wieder in den Asperhof kommt. Ihr werdet jetzt zu Euren Eltern gehen, wie Ihr sagt, um ihnen zu berichten, wie Ihr aufgenommen worden seid, und wie die Angelegenheit steht. Wenn Ihr dann nach Eurem beliebigen Willen wieder zu mir kommt, sei es zu was immer für einer Zeit, so werdet Ihr willkommen sein und bereitwilligen Empfang finden.«
    Am anderen Morgen saß ich nebst Gustav mit ihm in dem Wagen, und wir fuhren dem Sternenhofe zu.
    Wir wurden dort so freundlich und heiter aufgenommen wie immer, ja noch freundlicher und heiterer als sonst. Die Zimmer, welche wir immer bewohnt hatten, standen für uns wie für Personen, welche zu der Familie gehörten, in Bereitschaft. Natalie stand mit lieblichen Mienen neben ihrer Mutter und sah ihren älteren Freund und mich an. Ich grüßte mit Ehrerbietung die Mutter und fast mit gleicher Ehrerbietung die Tochter. Gustav war etwas schüchterner als sonst, und blickte bald mich, bald Natalien an. Wir sprachen die gewöhnlichen Bewillkommungsworte und andere unbedeutende Dinge. Dann verfügten wir uns in unsere Zimmer.
    Noch an demselben Tage und am nächsten besah mein Gastfreund verschiedene Dinge, welche zur Bewirtschaftung des Gutes gehörten, besprach sich mit Mathilden darüber, besuchte selbst ziemlich entfernte Stellen, und ordnete im Namen Mathildens an. Auch die Arbeiten in der Hinwegschaffung der Tünche von der Außenseite des Schlosses besah er. Er stieg selber auf die Gerüste, untersuchte die Genauigkeit der Hinwegschaffung der aufgetragenen Kruste und die Reinheit der Steine. Er prüfte die Größe der in einer gewöhnlichen Zeit vollbrachten Arbeit, und gab Aufträge für die Zukunft. Wir waren bei den meisten dieser Beschäftigungen gemeinschaftlich zugegen. Man behandelte mich auf eine ausgezeichnete Art. Mathilde war so sanft, so gelassen und milde wie immer. Wer nicht genauer geblickt hätte, würde keinen Unterschied zwischen sonst und jetzt gewahr geworden sein. Sie war immer gütig, und konnte daher nicht gütiger sein. Ich empfand aber doch einen Unterschied. Sie richtete das Wort so offen an mich wie früher; aber es war doch jetzt anders. Sie fragte mich oft, wenn es sich um Dinge des Schlosses, des Gartens, der Felder, der Wirtschaft handelte, um meine Meinung wie einen, der ein Recht habe, und der fast wie ein Eigentümer sei. Sie fragte gewiß nicht, um meine Meinung so gründlich zu wissen; denn mein Gastfreund gab die besten Urteile über alle diese Gegenstände ab, sondern sie fragte so, weil ich einer der Ihrigen war. Sie hob aber diese Fragen nicht hervor und betonte sie nicht, wie jemand getan hätte, bei dem sie Absicht gewesen wären, sondern sie empfand das Zusammengehörige unseres Wesens, und gab es so. Mir ging diese Behandlung ungemein lieb in die Seele. Mein Gastfreund war wohl beinahe gar nicht anders; denn sein Wesen war immer ein ganzes und geschlossenes; aber auch er schien herzlicher als sonst. Gustav verlor sein anfängliches schüchternes Wesen. Obwohl er auch jetzt noch kein Wort sagte, welches auf unser Verhältnis anspielte – das taten auch die anderen nicht, und er hatte eine zu gute Erziehung erhalten, um, obgleich er noch so jung war, hierin eine Ausnahme zu machen –, so ging er doch zuweilen plötzlich an meine Seite, nahm mich bei meinem Arme, drückte ihn, oder nahm mich bei der Hand und drückte sie mit der seinen. Nur mit Natalie war es ganz anders. Wirwaren beinahe scheuer und fremder, als wir es vor jenem Hervorleuchten des Gefühles in der Grotte der Brunnennymphe gewesen waren. Ich durfte sie am Arme führen, wir durften mit einander sprechen; aber wenn dies geschah, so redeten wir von gleichgültigen Dingen, welche weit entfernt von unseren jetzigen Beziehungen lagen. Und dennoch fühlte ich ein Glück, wenn ich an ihrer Seite ging, daß ich es kaum mit Worten hätte sagen können. Alles, die Wolken, die Sterne, die Bäume, die Felder schwebten in einem Glanze, und selbst die Personen ihrer Mutter und ihres alten Freundes waren verklärter. Daß in Natalien Ähnliches war, wußte ich, ohne daß sie es sagte.
    Wenn wir an dem

Weitere Kostenlose Bücher