Werke
eine Reise zu höherer Ausbildung zu unternehmen wünschest. Weil aber dein Gastfreund selber gesagt hat, daß du, ehe er dir seine Mitteilungen macht, zu größerer Ruhe kommen sollst, und weil es andererseits unziemend wäre, zu sehr zu drängen, so kannst du nicht jetzt sogleich zu ihm gehen und ihn um seine Eröffnungen bitten, sondern du mußt eine Zeit verfließen lassen und ihn später, vielleicht im Winter, besuchen. Dadurch sieht er auch, daß du einerseits nicht zudringlich bist, und daß du andererseits, da du in ungewohnterJahreszeit zu ihm kömmst, doch die Sehnsucht zu erkennen gibst, deine Sache zu fördern. Und damit du gewisser zu der erforderlichen Ruhe gelangest, schlage ich dir vor, mich auf einer kleinen Reise in meine Geburtsgegend zu begleiten, die wir in Kürze antreten können. Wenn du dann im Winter zu deinem Gastfreunde kömmst, so kannst du ihm unsere Grüße bringen und ihm sagen, daß wir mit Beginn der schöneren Jahreszeit kommen und für dich um die Hand der Tochter seiner Freundin werben werden.«
Alle waren mit diesem Vorschlage vollkommen einverstanden. Besonders freute sich die Mutter, als sie hörte, daß der Vater von freien Stücken auf einen Reiseplan gekommen sei, dessen Richtung sie gar nicht erraten hätte.
»Ich muß mich ja üben,« erwiderte er, »wenn ich im Frühlinge eine Reise in das Oberland bis in die Nähe der Gebirge antreten soll, die uns auch in den Rosenhof bringt und weiß Gott wie weit noch führen kann; denn wenn Leute, die immer zu Hause sind, einmal von der Wanderungslust ergriffen werden, dann können sie auch ihres Reisens kein Ende finden, und besuchen Gegend um Gegend.«
Ich aber sagte hierauf: »Weil Klotilde nie die Gebirge gesehen hat, weil sie in dieser ganzen Angelegenheit am weitesten zurückgesetzt ist, weil ich ihr immer versprochen habe, sie in die Berge zu führen, und weil die Erfüllung dieses Versprechens durch meine größere Reise wieder hinaus geschoben werden könnte: so mache ich ihr den Vorschlag, mit mir, wenn ich mit dem Vater von unserer kleinen Reise zurückgekommen bin, einen Teil des Herbstes in dem Hochgebirge zuzubringen. Die Tage des Herbstes, selbst die des Spätherbstes, sind in den Gebirgen meistens sehr schön, und wir können in den klaren Lüften weiter herum sehen, als es oft in dem schwülen und gewitterreichen Dunstkreise der Monate Juni oder Juli möglich ist.«
Klotilde nahm diesen Vorschlag mit Freude an, und ich versprach ihr, in den Tagen, die noch bis zu meiner Abreise mit dem Vater verfließen werden, alles anzugeben, was sie an Kleidern und sonstigen Dingen zu der Gebirgsreise bedürfe, welche Gegenstände sie dann während meiner Abreise vorrichten lassen könne.
»Wenn ich zu den Mitteilungen meines Freundes an Ruhe gewinnen muß,« setzte ich hinzu, »so könnten diese Reisen das beste Mittel dazu abgeben.«
Der Vater und die Mutter waren mit meinem Vorschlage sehr zufrieden. Die Mutter sagte nur, sie werde an den Vorbereitungen Klotildens mitarbeiten, und besonders darauf sehen, daß alles vorhanden sei, was zu dem Schutze der Gesundheit gehöre.
Ich erwiderte, daß das sehr gut sei, und daß ich auch bei der Reise selber alle Maßregeln ergreifen werde, daß Klotildens Gesundheit keinen Schaden leide.
Wir fingen wirklich am andern Tage an, die Dinge zu bereden, welche Klotilde zur Reise brauche. Sie ging rüstig an die Anschaffung. Ich entwarf ein Verzeichnis der Notwendigkeiten, welches ich nach und nach ergänzte. Als einige Zeit verflossen war, glaubte ich es so vervollständigt zu haben, daß nun nicht leicht mehr etwas Wesentliches vergessen werden konnte.
Indessen rückte auch der Tag heran, an welchem ich mit dem Vater abreisen sollte.
Am frühen Morgen desselben setzten wir uns in den leichten Reisewagen, dessen sich der Vater immer bedient hatte, wenn er größere Entfernungen zurücklegen mußte. Jetzt war er lange nicht mehr aus dem Wagenbehältnis gekommen. Auf Anordnung der Mutter wurde er einige Tage vorher von Sachkundigen genau untersucht, ob er nicht heimliche Gebrechen habe, welche uns in Schaden bringen könnten. Als dies einstimmig verneint worden war, gab sie sich zufrieden. Wir hatten Postpferde, wechselten dieselben an gehörigen Orten, und hielten uns in ihnen so lange auf, als es uns beliebte. Gegen jeden Abend ließ der Vater noch bei Tageslicht halten, es wurde das Nachtlager bestellt, und wir machten vor dem Abendessen einen Spaziergang. In diesen Tagen, an denen
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