Werke
hindurch. Wir trafen jenseits einen freien Platz, auf welchem ein ziemlich großes Gartenhaus stand. Es war gemauert, hatte hohe Fenster, ein Ziegeldach, und seine Gestalt war ein Sechseck. Die Außenseite dieses Hauses war ganz mit Rosen überdeckt. Es waren Latten an dem Mauerwerke angebracht, und an diese Latten waren die Rosenzweige gebunden. Sie standen in Erde vor dem Hause, hatten verschiedene Größe, und waren so gebunden, daß die ganzen Mauern überdeckt waren. Da eben die Zeit der Rosenblüte war, und diese Rosen auch außerordentlich reich blühten, so war es nicht anders, als stände ein Tempel von Rosen da und es wären Fenster in dieselben eingesetzt. Alle Farben, von dem dunkelsten Rot, gleichsam Veilchenblau,durch das Rosenrot und Gelb bis zu dem Weiß waren vorhanden. Bis in eine große Entfernung verbreitete sich der Duft. Ich stand lange vor diesem Hause, und Alfred stand neben mir. Außer den Rosen an dem Gartenhause waren auf dem ganzen Platze Rosengesträuche und Rosenbäumchen in Beeten zerstreut. Sie waren nach einem sinnvollen Plane geordnet, das zeigte sich gleich bei dem ersten Blicke. Alle Stämmchen trugen Täfelchen mit ihrem Namen.
›Das ist der Rosengarten‹, sagte Alfred, ›da sind viele Rosen, es darf aber keine abgepflückt werden.‹
›Wer pflanzt denn diese Rosen, und wer pflegt sie?‹ fragte ich.
›Der Vater und die Mutter‹, antwortete Alfred, ›und der Gärtner muß ihnen helfen.‹
Ich ging zu allen Rosenbeeten, und ging dann um das ganze Haus herum. Als ich alles betrachtet hatte, gingen wir auch in das Haus hinein. Es war mit Marmor gepflastert, auf dem feine Rohrmatten lagen. In der Mitte stand ein Tisch und an den Wänden Bänkchen, deren Sitze von Rohr geflochten waren. Eine angenehme Kühle wehte in dem Hause; denn die Fenster, durch welche die Sonne herein scheinen konnte, waren durch gegliederte Balken zu schützen. Da wir wieder aus dem Innern dieses Gartenhauses getreten waren, besuchten wir noch einmal den Obstgarten, und gingen bis an sein Ende. Da wir an das Gartengitter gekommen waren, sagte Alfred: ›Hier ist der Garten zu Ende, und wir müssen wieder umkehren.‹
Das taten wir auch, wir gingen wieder zu dem Eingangstore zurück, durchschritten es, begaben uns in das Haus, und ich führte Alfred zu seiner Mutter.
Das war das Haus und der Garten in Heinbach, der Besitzung des Herrn und der Frau Makloden.
Der erste Tag verging sehr gut, so auch ein zweiter, ein dritter und mehrere. Ich wohnte mich in meine zwei Zimmer ein, und die Stille des Landes tat mir in meiner jetzigen Gemütsverfassung sehr wohl. Für den Unterricht Alfreds war in der Art gesorgt, daß der Graf, dessen Meiereien in der Nähe von Heinbach lagen, und ein Herr von Heinbach, wie man Makloden jetzt auch nannte, eine Summe stifteten und dem Lehrer der Gemeinde Heinbach zulegten, unter der Bedingung, daß ein in gewissen Fächern gebildeter Mann stets diese Stelle bekleide, welchen sie in Vorschlag zu bringen das Recht hatten, und der die Verbindlichkeit übernahm, die Kinder des Hauses Heinbach und die des Verwalters der Meiereien in ihren Wohnungen zu unterrichten, wofür er aber besonders bezahlt wurde. Die Schule und die Kirche Heinbach waren eine kleine halbe Wegstunde von dem Herrenhause entfernt. Der Lehrer kam jeden Nachmittag herüber und blieb eine Zeit bei Alfred. Mathilde wurde nur mehr in seltenen Stunden noch von ihm unterrichtet. Für Alfred sollte ich die Art der Lehrstunden einrichten, was ich auch im Übereinkommen mit dem Lehrer, der ein sehr bescheidener und nicht ungebildeter junger Mann war, tat. Den Unterricht in gewissen Dingen, jetzt vor allem den Sprachunterricht, behielt ich mir vor. So kam die Sache in den Gang, und so ging sie fort.
Das Leben in Heinbach war wirklich sehr einfach. Man stand mit der Morgensonne auf, versammelte sich in dem Speisezimmer zum Frühmahle, dem einiges Gespräch folgte, und ging dann an seine Geschäfte. Die Kinder mußten ihre Aufgaben machen, von denen Mathilde besonders von der Mutter manche in einigen Zweigen bekam. Der Vater ging in seine Stube, las, schrieb, oder er sah in dem Garten oder in dem kleinen Grundbesitze nach, der zu dem Hause gehörte. Ich war teils in meiner Wohnung mit meinen Arbeiten, die ich in der Stadt begonnen hatte und hier fortsetzte, beschäftigt, teils war ich in Alfreds Zimmer und überwachte und leitete, was er zu tun hatte. Die Mutter stand mir hierin bei, und sie hielt es für ihre Pflicht,
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