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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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noch mehr um Alfred zu sein als ich. Der Mittag versammelte uns wieder in dem Speisezimmer, am Nachmittage waren Lehrstunden, und der Rest des Tages wurde zu Gesprächen, zu Spaziergängen, zum Aufenthalte im Garten, oder, besonders wenn Regenwetter war, zum gemeinschaftlichen Lesen eines Buches benützt. Was man im Freien tun konnte, wurde lieber im Freien als in Zimmern abgemacht. Besonders war hiezu der Aufenthalt unter den Linnendächern am Hause geeignet, den die Mutter sehr liebte. Stundenlang war sie mit irgend einer weiblichen Arbeit und die Kinder mit ihrem Schreibzeuge oder mit Büchern auf diesem Platze beschäftigt. Dies war besonders der Fall, wenn die Vormittagssonne die Luft durchwürzte, und doch noch nicht so viel Kraft hatte, die Mauern zu erhitzen und den Aufenthalt an ihnen zu verleiden. Auch wurden die mannigfaltigen Bänkchen auf dem Rasenplatze, vor welche man Tischchen stellte, und das Innere des Rosenhauses benützt. Zuweilen wurden größere Spaziergänge verabredet. An solchen Tagen waren keine Lehrstunden, man bestimmte die Zeit, in welcher fortgegangen werden sollte, alle mußten gerüstet sein, und mit dem betreffenden Glockenschlage wurde aufgebrochen. Wir besuchten zuweilen einen Berg, einen Wald, oder gingen durch schöne, ansprechende Gründe. Manches Mal war es auch eine Ortschaft, in welche wir uns begaben. Um das Haus lagen in geringen Entfernungen Besitztümer von Familien, mit denen die Bewohner von Heinbach Umgang pflegten. Öfter fuhr ein Wagen vor unserem Hause vor, öfter fuhr der unsere in die Nachbarschaft. Die Kinder mischten sich zur Geselligkeit, und ältere traten zusammen. Die MutterAlfreds sah es gerne, wie sie mir sagte, wenn eine Freundin Mathildens bei ihr durch längere Zeit verweilte, sie aber konnte sich nie entschließen, ihre Tochter zu anderen Leuten auf Besuch zu geben. Sie wollte nicht getrennt sein. Auch, meinte sie, würde sich Mathilde fern von ihr nicht wohl fühlen. Von Künsten wurde bei wechselseitigen Besuchen vorzüglich die Musik geübt. Es war der Gesang, der gepflegt wurde, das Klavier, und zu vierstimmigen Darstellungen die Geigen. Der Vater Alfreds schien mir ein Meister auf der Geige zu sein. Wir hörten solchen Vorstellungen zu. Wir Unbeschäftigten sahen aber auch sehr gerne zu, wenn die Kinder auf dem Rasenplatze hüpften und sich in ihren Spielen ergötzten. Bei alle dem besorgte die Mutter Alfreds aber auch ihr ausgedehntes Hauswesen. Sie gab den Dienern und Mägden hervor, was das Haus brauchte, sorgte für die richtige und zweckmäßige Verwendung, leitete die Einkäufe, und ordnete die Arbeiten an. Die Bekleidung des Herrn, der Frau und der Kinder war sehr ausgezeichnet, aber auch sehr einfach und wohlbildend. Nach dem Abendessen saß man oft noch eine geraume Weile in Gesprächen bei dem Tische, und dann suchte jedes sein Zimmer.
    So war eine Zeit vergangen, und so kam nach und nach der Herbst. Ich lebte mich immer mehr in das Haus ein und fühlte mich mit jedem Tage wohler. Man behandelte mich sehr gütig. Was ich bedurfte, war immer da, ehe das Bedürfnis sich noch klar dargestellt hatte. Aber auch nicht bloß das wurde hergestellt, was ich bedurfte, sondern auch das, was zum Schmucke des Lebens geeignet ist. Blumen, die ich liebte, wurden in Töpfen in meine Zimmer gestellt, ein Buch, ein neues Zeichnungsgeräte fand sich von Zeit zu Zeit ein, und da ich einmal auf mehrere Tage abwesend war, sah ich bei meiner Rückkehr meine Wohnung mit Farben bekleidet, die ich einmal bei einem Besuche in einem Nachbarschlosse sehr gelobt hatte. Bei Spaziergängen gesellte sich der Vater Alfreds gerne zu mir, wir gingen abgesondert von den andern und führten Gespräche, die mir in dem, was er sagte, sehr inhaltreich schienen. Ebenso war die Mutter Alfreds nicht ungeneigt, sich mit mir zu besprechen. Wenn ich in Alfreds Zimmer war, das an das ihrige grenzte, kam sie gerne herein und sprach mit mir, oder sie ließ mich in ihr Zimmer treten, wies mir einen Sitz an und redete mit mir. Ich hatte ihr nach und nach alle meine Familienverhältnisse erzählt, sie hatte teilnehmend zugehört, und hatte manches Wort gesprochen, das höchst wohltätig in meine Seele ging. Alfred war mir gleich in den ersten Tagen zugetan, und diese Neigung wuchs. Sein Wesen war nicht verbildet. Er war körperlich sehr gesund, und dies wirkte auch auf seinen Geist, der nebstdem überall von denSeinigen mit Maß und Ruhe umgeben war. Er lernte sehr genau, und lernte leicht

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