Werke
plötzlich in mir aufzuckten, als ich ›Gustav‹ las – ich kannte nun den Künstler sehr wohl. – Also auf
diese
Weise, dachte ich, ist dein Herz in Erfüllung gegangen, und hat sich deine Liebe entfaltet! Armer, getäuschter Mann! – Auch das werden unsere Leser verstehen, was sich damals ganz Paris als eine Seltsamkeit und Künstlerlaune erzählte, daß nämlich auf jedem Bilde eine Katze vorkomme – der ehrliche, gute Hinze.
Ich blieb fast bis zum Schlusse, und sah nun auch die andern Bilder an. Als ich auf meinem Rückwege durch die Säle wieder an den zwei Gemälden vorüberkam, bemerkte ich, wie ein Galeriediener einer Dame, die davor stand, bedeutete, daß sie gehen müsse, weil geschlossen werde. Die Dame zögerte noch einen Moment, dann löste sie ihr Auge von den Gemälden und wandte sich zum Gehen – nie wurde ich von zwei schöneren Augen getroffen – sie ließ den Schleier überfallen und ging davon Ich konnte damals nicht ahnen, wer sie war, und erst heute nach einer Reihe von Jahren vermag ich zu berichten, daß die Dame nach jenem Besuche in dem Salon nach ihrem Hause in der Straße St. Honore fuhr, daß sie dort in ihrem Schlafgemache die Fenstervorhänge niederließ, die Hände über ihrem Haupte zusammenschlug und dann ihr Angesicht tief in die Kissen des Sofas drückte. Wie zuckte in ihrem Gehirne all das leise Flimmern und Leuchten dieser unschuldigen, keuschen Bilder, gleichsam leise, leise Vorwürfe einer Seele, die da schweigt, aber mit Lichtstrahlen redet, die tiefer dringen, die immer da sind, immer leuchten, und nie verklingen, wie der Ton!
Paris wußte es nicht, als jenes Tages seine gefeiertste Schönheit in keinem der Zirkel erschien, die Schönheit, welche tausend Herzen entzündete und mit tausenden spielte – Paris wußte es nicht, daß sie zu Hause in ihrem verdunkelten Zimmer sitze und hilflos siedende Tränen über ihre Wangen rollen lasse, Tränen, die ihr fast das lechzende Herz zerdrücken wollten; – aber es war vergebens, vergebens! Gelassen und kalt stand die Macht des Geschehenen vor ihrer Seele, und war nie und nimmermehr zu beugen – und fern, fern von ihr in den Urgebirgen der Cordilleren wandelte ein unbekannter, starker, verachtender Mensch, um dort neue Himmel für sein wallendes, schaffendes, dürstendes, schuldlos gebliebenes Herz zu suchen.
Anmerkungen zu dem Condor
Es wurde im zweiten Kapitel gesagt, daß den Luftschiffern die Erde in goldnem Rauche erschien, daß die Sterne sichtbar wurden, und daß der beleuchtete Ballon in schwarzem, finsterm Rauche hing. Für Nichtphysiker diene folgende kleine Erklärung:
1. Da das von der beleuchteten Erde allseitig in die Luft geworfene Licht blau reflektiert wird, so ist das hinausgehende (nach der Optik) das komplementäre Orange, daher die Erde, von außen gesehen, golden erscheint wie die andern Sterne.
2. Das Licht selbst ist nicht sichtbar, sondern nur die von ihm getroffenen Flächen, daher der gegenstandlose Raum schwarz ist. Das Licht ist nur auf den Welten, nicht zwischen denselben erkennbar. Wäre unsere Erde von keiner Luft umgeben, so stände die Sonne als scharfe Scheibe in völligem Schwarz.
3. Daß wir am Tage keine Sterne sehen, rührt von dem Lichtglanze, den alle Objekte ins Auge senden; wo dieser abgehalten wird, wie zum Beispiel in tiefen Brunnen, erscheinen uns auch die Sterne am Tage
.
Feldblumen
1. Primel
24. April 1834
Man legt oft etwas dem Menschen zur Last, woran eigentlich die Chemie alle Schuld hat. Es ist offenbar, daß, wenn ein Mensch zu wenig Metalle, zum Beispiel Eisen, in sein Blut bekommen hat, die andern Atome gleichsam darnach lechzen müssen, um, damit verbunden, das chemisch heilsame Gleichgewicht herstellen zu können. Nur mißversteht aber der so schlimm Begabte meistens seinen Drang, und statt ins Blut, schleppt er unbeholfen die Metalle in seine Stube und in die Kästen, und greift hierbei ganz ungeschickt nach Silber und dergleichen. Wir heißen den armen Schelm dann einen Geizhals; – sei's um den Namen – aber
verachten
soll man ihn nicht so leichtfertig, als sei er selber schuld, was sich doch offenbar durch die Tatsache widerlegt, daß gerade der
echteste
darunter alles Papiergeld haßt und durchaus nicht nach Zinsen trachtet, sondern das einfache, reine, schöne Metallgeld aufhebt und hütet.
Andere haben andere Verwandtschaften, lieber Titus! zum Beispiel ich und Du, denen man es übel nahm, daß sie die Damen, und darunter wieder die
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