Solange am Himmel Sterne stehen
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Die Straße vor dem Bäckereifenster liegt still und schweigend da, und in der halben Stunde genau vor Sonnenaufgang, während ein leichter Schimmer der Morgenröte am Horizont sichtbar wird, könnte ich fast glauben, der einzige Mensch auf der Welt zu sein. Es ist September, eineinhalb Wochen nach dem Labor Day, was in den kleinen Städten auf und ab am Cape Cod bedeutet, dass die Touristen nach Hause gefahren sind, die Bostoner ihre Ferienhäuser für die Saison mit Brettern vernagelt haben und auf den Straßen die einsame Stimmung eines unruhigen Traums herrscht.
Die Blätter draußen haben sich zu färben begonnen, und ich weiß, in ein paar Wochen werden sie die gedämpften Töne des Sonnenuntergangs annehmen, auch wenn die meisten Leute nicht hierherkommen, um sich das Herbstlaub anzusehen. Die Laubgucker werden nach Vermont, nach New Hampshire oder in die Berkshires im westlichen Teil unseres Bundesstaats fahren, wo die Eichen und Ahornbäume die Welt in feurigem Rot und leuchtendem Orange malen. Aber in der Stille der Nebensaison am Cape wird sich der wogende Strandhafer golden verfärben, während die Tage kürzer werden; die Vögel, die von Kanada nach Süden ziehen, werden in großen Scharen hier rasten; die Sümpfe werden zu Aquarell-Pinselstrichen verblassen. Und ich werde, wie ich es immer tue, durchs Fenster der Nordstern-Bäckerei dabei zusehen.
Seit ich mich erinnern kann, habe ich mich an diesem Ort, dem Geschäft meiner Familie, stets mehr zu Hause gefühlt als in dem kleinen gelben Cottage in der Nähe der Bucht, in dem ich aufgewachsen bin, dem Zuhause, in das ich jetzt, nach dem Vollzug meiner Scheidung, zurückziehen musste.
Scheidung . Das Wort klingt mir in den Ohren, unablässig, und ich fühle mich wieder einmal wie eine Versagerin, während ich in einem Balanceakt versuche, mit einem Fuß die Ofentür zu öffnen und gleichzeitig zwei riesige Bleche mit Zimttörtchen zu manövrieren und den Verkaufsraum der Bäckerei im Auge zu behalten. Ich schiebe die Törtchen in den Ofen, nehme ein Blech mit Croissants heraus und schließe die Tür mit der Hüfte. Dabei geht mir wieder einmal der Gedanke durch den Kopf, dass alles haben zu wollen nur heißt, dass man immer alle Hände voll zu tun hat. In meinem Fall im wahrsten Sinne des Wortes.
Ich wollte so gern verheiratet bleiben, Annie zuliebe. Ich wollte nicht, dass meine Tochter in einem Zuhause aufwächst, in dem ihre Eltern ihr keine Sicherheit geben können, so wie es mir als Kind ergangen ist. Ich wollte mehr für sie. Aber das Leben läuft eben nie so, wie man es plant, oder?
Die Ladenglocke bimmelt in dem Augenblick, als ich die blättrigen, buttrigen Croissants vom Backblech nehme. Ich werfe rasch einen Blick auf die Zeitschaltuhr an dem zweiten Ofen; die Vanilleküchlein müssen in knapp sechzig Sekunden raus, sodass ich nicht rechtzeitig in den Verkaufsraum kommen werde.
»Hope?«, ruft eine tiefe Stimme von vorn. »Bist du da hinten?«
Ich seufze erleichtert auf. Wenigstens ein Kunde, den ich kenne. Nicht dass ich nicht fast jeden kenne, der in dieser Stadt zurückbleibt, nachdem die Touristen nach Hause gefahren sind.
»Komme gleich, Matt!«, rufe ich.
Ich streife meine Ofenhandschuhe über, die leuchtend blauen mit den aufgestickten Törtchen an den Rändern, die Annie mir letztes Jahr zu meinem fünfunddreißigsten Geburtstag geschenkt hat, und nehme die Vanilleküchlein aus dem Ofen. Ich atme tief ein, und der zuckersüße Duft versetzt mich für einen Moment zurück in meine eigene Kindheit. Meine mamie – die französische Bezeichnung für »Oma« – hat die Nordstern-Bäckerei vor sechzig Jahren gegründet, ein paar Jahre nachdem sie mit meinem Großvater ans Cape Cod gezogen war. Hier bin ich aufgewachsen und habe an ihrem Rockzipfel backen gelernt, während sie mir geduldig erklärte, wie man Teig herstellte, warum Brote aufgingen und wie man durch Kombinationen sowohl traditioneller als auch unerwarteter Zutaten genau die Kuchen und Torten kreierte, von denen der Boston Globe und die Cape Cod Times Jahr für Jahr schwärmen.
Ich lege die Küchlein auf das Abkühlgitter und schiebe an ihrer Stelle zwei Bleche mit Anis-Fenchel-Plätzchen in den Ofen. Darunter, auf die unterste Schiene, schiebe ich einen Schwung Halbmonde: Mandelpaste, mit Orangenblütenwasser verfeinert und mit Zimt bestreut, in einem Teigmantel zu sanft geschwungenen Gebäckstücken geformt.
Ich schließe die Ofentür und klopfe mir das Mehl von
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