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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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und brachte einen Gruß und einen Brief von Felix, und sagte, daß derselbe in der großen, weit entfernten Hauptstadt ein schmucker, fleißiger Student sei, daß ihn alles liebe, und daß er gar eines Tages Kaplan in der großen Domkirche werden könnte. Der Schreinergeselle wurde über Nacht im Haidehause gut gehalten, und ließ eitel Freude zurück, als er des andern Tages in entgegengesetzter Richtung von dannen zog. So kam es, daß jedes Jahr ein- oder zweimal ein Wandersmann den Umweg über die Haide machte, dem schönen, freundlichen, handsamen Jünglinge zu liebe, der gern einen Gruß an sein liebes Mütterchen schicken wollte. Ja sogar einesmals kam einer geschritten, und konterfeite das Häuschen samt dem Brunnen und Flieder- und Apfelbaume.
    Auch andere Veränderungen begannen auf der Haide. Es kamen einmal viele Herren und vermaßen ein Stück Haideland, das seit Menschengedenken keines Herrn Eigentum gewesen war, und es kam ein alter Bauersmann, und zimmerte mit vielen Söhnen und Leuten ein Haus darauf, und fing an, den vermessenen Fleck urbar zu machen. Er hatte fremdes Korn gebracht, das auf dem Haideboden gut anschlug, und im nächsten Jahre wogte ein grüner Ährenwald zunächst an Vater Niklas' Besitzungen, wo noch im vorigen Frühlinge nur Schlehen und Liebfrauenschuh geblüht hatten. Der alte Bauer war ein freundlicher Mann, ein Mann vieler Kenntnisse, und teilte gerne seinen Rat und sein Wissen und seine Hülfe an die frühern Haidebewohner, und hielt gute Nachbarschaft mit Vater Niklas. Sie fuhren nun beide gar in die Stadt, verkauften dort ihr Getreide weit besser, und am Getreidemarkt im goldenen Rosse waren die Haidebauern wohl gekannt und wohlgelitten.
    Nach und nach kamen neue Ansiedler; auch eine Straße wurde von der Grundherrschaft über die Haide gebahnt, so daß nun manchmal des Weges ein vornehmer Wagen kam, desgleichen man noch nie auf der Haide gesehen. Auch des alten Bauers Söhne bauten sich an, und einer, sagte man sich ins Ohr, werde wohl schön Marthens Bräutigam werden. Und so, ehe sieben Jahre ins Land gegangen, standen schon fünf Häuser mit Ställen und Scheunen, mit Giebeln und Dächern um das kleine, alte, graue Haidehaus, und Felder und Wiesen und Wege und Zäune gingen fast bis auf eine Viertelstunde Weges gegen den Roßberg, der aber noch immer so einsam war wie sonst; – und am Pankratiustage hatte Vater Niklas die Freude, zum Richter des Haidedorfes gewählt zu werden, – er der erste seit der Erschaffung der Welt, der solch Amt und Würde auf diesem Flecke bekleidete.
    Wieder waren Jahre um Jahre vergangen, die Obstbaumsetzlinge, zarte Stangen, wie sie der alte Nachbarsbauer gebracht und an Niklas mitgeteilt hatte, standen nun schon als wirtliche Baume da und brachten reiche Frucht und manchen Sonntagstrunk an Obstwein. – Marthe war an Nachbars Benedikt verheiratet, und sie trieben eigene Wirtschaft. – Die Haide war weiß und wieder grün geworden; aber des Vaters Haare blieben weiß, und die Mutter fing bereits an, der Großmutter ähnlich zu werden, welche Großmutter allein unverwüstlich und unveränderlich blieb! immer und ewig am Hause sitzend, ein träumerisches Überbleibsel, gleichsam als warte sie auf Felixens Rückkehr. Aber Felix schien, wie einst Jacobus, verschollen zu sein auf der Haide. Seit drei Jahren kam keine Kunde und kein Wandersmann. – In der Hauptstadt, wohin gar Benedikt gegangen, um ihn zu suchen, war er nicht zu finden, und im Amte sagten ihm die Kanzleiherren aus einem großen Buche, er sei außer Landes gegangen, vielleicht gar über das Meer. Der Vater hörte schon auf, von ihm zu reden; Marthe hatte ein Kindlein und dachte nicht an ihn, die Haidedörfler kannten ihn nicht, und liebten ihn auch nicht, als einen, der da einmal davongegangen; die Großmutter fragte nur bisweilen nach Jacobus: – aber das Mutterherz trug ihn unverwischt und schmerzhaft in sich, seit dem Tage, als er von dannen gezogen und an ihrem Busen geweint hatte – und das Mutterherz trug ihn abends in das Haus und morgens auf die Felder – und das Mutterherz war es auch allein, das ihn erkannte, als einmal am Pfingstsamstage durch die Abendröte ein wildfremder, sonnverbrannter Mann gewandert kam, den Stab in der Hand, das Ränzlein auf dem Rücken, und stehen blieb vor dem Haidehause.

    »Felix« – »Mutter!«
    Ein Schrei und ein Sturz an das Herz.
    Das Mutterherz ist der schönste und unverlierbarste Platz des Sohnes, selbst wenn er schon graue

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