Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
den Schweden sahen wir nur noch, wie viele vorsprengten, um den Reiter in ihre Mitte zu nehmen, wie er sank – und dann, ehe uns noch kaum Besinnung wiederkehren konnte – – war schon Sturm hier, dort, überall – wütend von der Schwedenseite, wie nie – Rauch, daß kein Antlitz auf drei Schritte erkennbar war – – Clarissa, höret Ihr?«
    »Weiter, weiter«, sagte sie angstvoll vorgebogen.
    »Es ist nichts mehr weiter – die Burg brannte, wir mußten ausfallen – – – ich wurde verwundet, besinnungslos, gefangen – – –«
    »Und...??« – –
    »Clarissa – Johanna – – Sture selbst ließ beide, ihn und den Knaben, kriegerisch ehrenvoll unter der Steinplatte vor dem Altare der Thomaskirche begraben, die freilich auch abgebrannt war – ich, verwundet und waffenlos, erhielt Erlaubnis, beizuwohnen.«
    »Und ich«, rief Clarissa zurücksinkend, »war es, ich, die Vater und Bruder erschlagen« – und sie brach, beide Hände vor ihre Augen drückend, in ein wildes Schluchzen aus, daß ihr ganzer Bau darunter erzitterte. Johanna, selbst kaum ihrer Kräfte mächtig, und schön, wie ein gestorbner Engel, stand doch sogleich auf und drückte Clarissen an ihren Busen, das Haupt derselben an ihr Herz legend und es ausweinen lassend, während sie ihre Hände lieblich zärtlich um dasselbe legte und selbst die heißen Tränen auf sie niederfallen ließ.
    Der Ritter wischte sich das Wasser aus seinen schönen dunklen Augen und stand in tiefem Schmerze da, aber er bereute nicht, daß er den ihrigen durch die Erzählung hervorgerufen; denn er wußte wohl, wie herzzerreißend diese Tränen auch seien, daß ihnen Linderung folgen werde, unsäglich süßer und heilsamer, als all ihre frühere dumpfe Ergebung. Auch löste sich bald das erste krampfhafte Schluchzen, und nur mehr ein leises, kaum hörbares Weinen rieselte durch das totenstille, verdunkelte Zimmer, und endlich auch dies nicht mehr. Clarissa, ohnmächtig schmiegsam, lag kindlich an Johannens Herzen, von ihr, wie früher, umschlossen – und wie bitter auch die ersten Tränen beider hervorgepreßt waren, so flossen sie doch jetzt leicht, reichlich und wie von selbst, ja sogar linde süß, wie das letzte Blut eines getöteten Geschöpfes.
    Endlich nach langer Stille hob Clarissa wieder ihr Haupt und Auge müde und verklärt zu dem Ritter empor und sagte leise: »Bruno, sagt uns nun auch, wo ist das andere Grab, und wie........?« Ihre Stimme erstickte neuerdings.
    »Forschet nicht, Clarissa; wer enträtselt das Wirrsal jenes Augenblicks? – – Er hatte eine Kugel in der Brust, wahrscheinlich aus einem unserer Doppelhaken, seinen Körper brachten sie weg, wohin. – ich weiß es nicht. Erst bei den Schweden erfuhr ich, daß er als Vermittler gekommen, daß er vorschlug und durchsetzte, daß man die kaiserliche Besatzung frei abziehen und euren Vater unge- stört in seinem Hause lassen solle. – – Sein Tod war die
    Losung der Sturmes – Sture und alle liebten ihn sehr.«
    »Alle liebten ihn sehr,« sagte sie, vor innigem Schmerze lallend, »alle liebten ihn sehr – – – – o du schöne, du schöne, du unglückliche Waldwiese!!« Sie verbarg wieder ihr Haupt an Johannas Herzen, fast kindisch furchtsam die Worte sagend: »Johanna, du zürnest – Johanna, ich liebe dich, jetzt nur dich – – o Kind, liebe mich nun auch wieder.«
    Diese im Unmaß des Schmerzes und der Zärtlichkeit wußte nicht, was sie tun solle; sie drückte die Schwester an sich, sie umschlang sie mit einer Hand und streichelte mit der andern über die glänzenden Haupthaare derselben, wie man todbetrübte Kinder beschwichtiget; – – sie selbst, bis zu Tode betrübt, erhielt nur Kraft durch die noch größere Betrübnis der Schwester, die sie lindern wollte. Zu dem Ritter aber sagte sie leise: »Erzählet nichts mehr.«
    Dieser aber beugte sein Haupt im Schmerze vorwärts, und sah mit den verdunkelten, von Tränen zitternden
    Augen auf das schöne vor ihm vergehende Geschöpf, das er so lange geliebt, das sein Herz so lange begehrt hatte; es wollte ihm vor Mitleid zerspringen, und es war ihm, als drehe sich mit ihm der Fußboden des Gemaches.
    Sachte wollte er hinausgehen, um den Schwestern Zeit zu gönnen, aber Clarissa hörte seine Tritte, und sah plötzlich auf und sagte: »Bruno, geht nicht, es ist hier so dunkel, und wir haben niemand, als einen alten Mann und seinen Enkel – – Bruno, lasset uns ein Fenster machen.«
    »Alles, alles, Clarissa, werden wir machen

Weitere Kostenlose Bücher