Werke
Eisenspitze – des Übrigen hatte er einen breiten Strohhut auf, eisenbeschlagene Stiefel an, und sein Rock schlug bei jedem Schritte so pendelmäßig gegen seine Füße, als trüge er beide Säcke voll Eisen oder Gestein. So hatte man ihn schon mehrere Wochen in den Bergen der Fichtauherumgehen und herumsitzen gesehen. Die Fichtau aber ist ein schönes Bergrevier, voll sanftblickendem, rotbrüchigem Marmor, frischem Waldesgrün und eiskalten, abschießenden Quellen. Die Pernitz läuft unten voll Lärmen und Gepränge durch, bis sie draußen ein zahmer Fluß wird, Wiesen wässert und Walkmühlen treibt. Die Fichtau ist ein paar Tagreisen östlich von dem freundlichen Pfarrdorfe Grünberg und dem schönen Markte Pirling, welche beide an demselben FlussePernitz liegen. In der ganzen Fichtau ist kein einziger Ort, aber dafür ist sie gleichsam besäet mit einzeln liegenden Häusern und Gehöften, und mancher Landmann, wenn er seiner Arbeit nachging, sah obbesagten Wanderer, wie er samt seiner Bepackung entweder an einer Felsenwand kletterte und Steine herabschlug, mit denen er sich dann belastete und sie seines Weges mit fortschleppte – oder man sah ihn auf seinem Feldsessel sitzen; den eisenspitzigen Stock hatte er in die Erde gebohrt, den Stiel seines Sonnenschirmes darauf geschraubt und im Schatten desselben zeichnete er Wälder oder Blöcke ab, auf die sonst keiner geachtet hatte, ob sie auch schon sein Lebtage in dem Tale gelegen waren – oder man sah ihn gehen, wie er einen schweren Strauß von Blumen und Kräutern in der einen Hand vor sich her trug, während er in der andern nebst dem Alpenstocke noch einige Ruten und anders Zeugs hinter sich herschleifte.
Des Abends nun an jenem schönen Tage, dessen wir oben erwähnten, ging er schleuniger als gewöhnlich neben der Pernitz hin, und machte mit Händen und Armen allerlei Bewegungen, wie einer, der ungeduldig und hastig ist, oder mit sich selbst redet. – Freilich war der Mann schon in seiner Jugend mit diesem Übel der lauten Selbstgespräche behaftet, und was noch ärger ist, er deutete auch immer mit den Händen dazu, besonders, wenn er von Eifer oder Ungeduld gestachelt war, in welche beide er übrigens sehr leicht geriet.
Er hatte eine Gruppe Häuser vor sich, auf die er zusteuerte. An einer Stelle nämlich, wo sich das Tal am meisten erweiterte und der Fahrweg ordentlich in eine breite Straße auseinanderging, stand das Wirtshaus der Fichtau, zur grünen Fichtau geheißen, zwar nur aus Holz gezimmert, aber mit einer glänzenden Fensterreihe auf den Straßenplatz heraussehend, der so groß und eben war, daß hundert Wagen hätten darauf stehen können. – Mit Scheunen und Schoppen und einem großen Garten ging das Haus in den geräumigen Winkel eines Seitentales zurück, aus dem ein starker Bach hervorsprudelte. Jenseits des Baches steht eine Sägemühle, dann ist noch eine Schmiede, und weiter zurück hinter dem Wirtsgarten sind vier oder fünf Häuser mit blanken Fenstern und dem schönen flachen Gebirgsdache.
Dieser Häusergruppe eilte unser Wanderer zu, als hätte er noch so Wichtiges auf dem Herzen, und immer schleuniger ging er, je näher er kam, so daß das Gehen fast in ein halbes Laufen ausartete, da er vor dem Wirtshause anlangte.
»Gott grüß Euch, Vater Erasmus«, sagte er eilig zu dem Wirte, der mit seinem großen Hunde auf der Gasse stand und mit dem Schmiede und einem Fuhrmann plauderte, welcher Fuhrmann eine Art Wochenbote war und alle Sonnabende bei dem Wirte zur grünen Fichtau anzukommen pflegte, wo er alles abgab, was immer für die Fichtauer aus dem Flachlande eingelaufen sein mochte. Sein Schecke stand im Stalle, sein Wagen im Schoppen, und er saß in der Abendsonne auf der langen Gassenbank des Wirtshauses, seine Gebirgspfeife rauchend und Neuigkeiten aus dem Lande draußen auskramend. »Gott grüß Euch, Vater Erasmus«, sagte also der angekommene Wanderer; »ich werde nur schleunig diese Sachen auf mein Zimmer hinauftragen, und sogleich wieder herabkommen und Euch eine Menge ausfragen. Ich habe heute die wundervollsten Ruinen entdeckt, und sie sogar gezeichnet.« Und somit ging er die Treppe hinan.
»Nun das geht dem noch ab, daß er das verrückte Schloß gefunden hat«, sagte der Wirt zu den zwei andern, aber der hinauflaufende Mann hatte diese Worte mit seinem scharfen Gehöre vernommen, und wurde dadurch nur noch mehr gespannt. Nachdem er das Gepäcke abgelegt und einen gehörigen Hausrock angetan hatte, kam er in dem
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