Werke
von nun an Herr des Schlosses, wie es dem Erstgebornen auch gebührt; allein er war und blieb auch Herr der Schätze und Einkünfte seitens der früher verstorbenen Mutter, was von Rechts wegen dem jüngeren Julius gehört hätte. Von diesem aber ist seit jener Zeit kein Faden seines Gewandes mehr in der Fichtau sichtbar geworden.«
»Weil ihn doch der Julianus irgendwo erschlagen hat«, versetzte der Schmied.
»Dann müßte er ihn tiefer begraben haben, als Regen und Tau dringen können,« versetzte der Wirt, »daß ihn nicht die Pernitz oder unsere Bergwässer zu Tage gewaschen hätten – geht, geht, Ohm, das steht nur so in den Ritterbüchern Eurer Thrine.«
»Mein Schwiegersohn, der Stadtschreiber,« sagte der Schmied, »meint selber – seit der letzte Abkömmling des Julian tot ist, und nun bereits das Schloß mit Lieg- und Fahrnissen in die Jahre lang allwärts ausgeschrieben ist, sei es seltsam, daß sich keine Klaue und kein Hufnagel gefunden, der Anspruch machen könne – also ist der Julius damals erschlagen worden.«
»Das ist nur so, Kinder,« sagte der Boten-Simon, indem er die Pfeife ausklopfte, und wieder anstopfte, und alles umständlich tat, und seine Rede beim Wiederanzünden durch kräftiges ›Paff, Paff‹ häufig unterbrach – »das ist nur so: im Lande draußen erzählte mir vor langen Jahren ein Krämer, daß der Julius in Kriegsdienste des französischen Königs gegangen sei – aber da widerredete es ein alter Stelzfuß und sagte: der Julius habe nicht gar so weit von der Fichtau gelebt, eine Bauerndirne geheiratet, und seine Tochter wieder an einen niedrigen Mann gegeben, und so sei nach und nach das Geschlecht im Volke verronnen, wie es ja auch einst daraus entstanden war.«
»So mag es sein,« sagte der Wirt, »oder es mag auch anders sein, aber daß er ihn erschlagen, glaube ich nicht; so schlecht waren sie nicht, sondern bloß alle närrisch.«
Der Wandersmann hatte bisher mit steigendem Interesse zugehört; nun stellte er seinen Krug zurück und sagte: »Ja, wie weiß man denn, daß sie närrisch waren?«
»Nun Gott sei Dank,« antwortete der Wirt, »närrisch genug, junger Oheim, habt Ihr denn das nicht schon an dem Schlosse erkennen mögen, da es weder Tor noch Eingang hat und in keinem Stile gebaut ist, wie Ihr selber sagt. Oder ist es etwa vernünftig, wie der letzte Zweig aus dem Stamme des Julian tat, oder wie sein Vater, der vorletzte, tat? Mit unsrem letzten Herrn war es so: Da haben die Franzosen, um die Unbill gut zu machen, die sie vordem an unsern Ländern verübt, Kriegsvölker in das Mohrenland geschickt, um alles in Bausch und Bogen christlich zu machen, und da ließ Graf Christoph eines schönen Tages das Schloß zumauern, und ritt dann den Berg hinab gerade in das Mohrenland, um die Heiden gegen Christum zu unterstützen, und da aben sie ihn denn auch glücklich niedergeschossen; man weiß nicht, die Christen oder die Heiden. Sein Vater, Graf Jodok, war noch ärger. Ich habe ihn noch recht gut gekannt; er hat sich im Alter den Bart wachsen lassen, wie einer der heiligen drei Könige – und da sah ich ihn oft, nachdem er das Schloß angezündet hatte, vor seinem kleinen Häuschen unten am Berge sitzen.«
»Das Schloß hat er angezündet?«
»Ja, er selber hatte es an einem Pfingstsonntage angezündet, und wehrte allen denjenigen, die da zu löschen kamen, weil er sagte, daß hundert Zentner Pulver in den Gewölben seien und losgehen würden, aber es ging nichts los, und das Gebäude brannte friedlich und fast lieblich nieder. Er hatte die vielen Jahre vorher ganz ruhig und ordentlich darinnen gewirtschaftet, nur daß über dem Tore die Aufschrift stand: ›Hier wird keinem Bettler etwas gegeben‹.«
»Ist denn nicht die Herrschaft ein Fideikommiß? wie durfte er denn das Schloß zerstören?«
»Freilich ist sie eines, aber da hat er innerhalb der Schloßfriedigung abseits den andern Gebäuden einen seltsamen Tempel aufgeführt, mit vielen Säulen, wie man sie oft als Lusthaus in hochherrschaftlichen Gärten sieht, und in diesem Tempel hat er gewohnt, wie man sagt, in ungewöhnlicher Pracht und Üppigkeit, mit seiner Frau, einer wunderschönen Zigeunerin, die er einmal brachte und dieses Bauwerk hat er dann angezündet. Es war freilich sein Eigentum, aber man erzählt, er habe für diese Tat viel Geld in dem Lehenhofe niederlegen müssen. Unten am Berge hatte er sich schon vorher ein kleines, steinernes Haus mit zwei Zimmern gebaut, und daselbst verlebte
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