Werke
bemühte, sein ungeschlachtes Haupt zwischen sie zu drängen.
Anna in der Güte ihres Herzens sah freundlich auf ihn nieder, ja sie legte ihre Hand auf seine Stirne, weil er sie dauerte, daß sie ihm nun – ja nicht nur ihm, sondern auch dem Vater und der Mutter fast alle Liebe entzog und einem fremden Manne zuwende.
Dieser fremde Mann aber sagte mit gedämpfter Stimme: »Damit du weißt, Anna, warum ich dir das Briefchen zustellte und dich gar so dringend bat, heute in die Laube zu kommen, so wisse, es hat sich etwas sehr Wichtiges zugetragen, was auf mein und auf dein Schicksal großen Einfluß haben kann; aber vorher muß ich etwas anderes wissen, und ich frage sich darum, ob es denn wirklich, ob es denn möglich ist, daß du mich so sehr lieben kannst, wie ich dich? – – Du schweigst? – Anna, so sage doch –« »Wäre ich denn sonst gekommen?«
»Du liebe Blüte – wie bin ich in der Welt schon so viele Tage unnütz herumgegangen, und da kam ich in dieses Tal, um Steine und Pflanzen zu suchen, und fand dich, die liebliche, die seltene Blume der Erde.«
»Redet nicht so,« antwortete Anna, »denn es ist nicht so jetzt sagt Euch bloß Eure Empfindung dieses vor, aber in der Tat ist es doch anders. Draußen in den Städten werden viele herrliche Jungfrauen sein, gegen die ich nur arm bin, wie ein Grashalm, den Ihr in unserm Tale pflücket, um Euch etwa einige Stunden daran zu erfreuen, wie an den andern, die Ihr sammelt.«
»Du ahnest nicht,« entgegnete er eifrig – »du Alpenblume, – o wenn du nur wüßtest, wie hoch du über ihnen stehst, – aber wenn du es wüßtest, so ständest du ja schon nicht mehr so hoch – – aber lasse dieses, – nur das eine wisse: daß ich dich mehr liebe als alles in dieser Welt, und daß ich dich in alle Ewigkeit lieben werde; – doch das alles ist natürlich und kein Wunder. Du wirst es selbst begreifen, wenn du die Welt einst wirst kennen lernen, aber eines ist ein Wunder, und erkläre es mir du, wie kam es denn, daß du mir gut wurdest, mir, den sie hier alle mißachten, und an dem auch wirklich nichts ist als ein unauslöschlich gutes Herz?«
»Wie ich Euch gut wurde? – – –«
»Höre, Anna, nenne mich auch du.«
»Nein, laßt mir das, ich kann nicht du sagen, es ist mir, als schicke es sich nicht; und ich könnte dann nicht so frei und freundlich reden.«
»Nun so rede frei und freundlich.«
»Wie ich Euch gut wurde? – seht! ich weiß nicht, wie es kam; als ich es merkte, war es eben da. Ich will Euch etwas von meiner Kindheit erzählen, vielleicht, daß Ihr es dann herausfindet. Mein Vater sagte immer, ich sei ein sehr schönes Kind gewesen, und da ich sein einziges bin, so tat er mir immer viel Liebes und Gutes, und ich und Schmieds Katharina bekamen schönere Kleider als die Nachbarskinder und die der ganzen Fichtau; deshalb wurden sie uns gram, und wir mußten immer allein gehen, und dies taten wir auch gerne, und da saßen wir oben auf der grünen Haide jenseits des Baches, über den der Vater den gedeckten Steg bauen ließ, daß wir nicht hineinfielen – da saßen wir und machten Grübchen in die Erde, oder pflückten Gras und Blumen, redeten mit den Käfern oder horchten den Erzählungen der alten Plumi....«
»Wer ist die Plumi?«
»Ei, Appolonia, die alte schwäbische Amme Thrinens, die sie bekommen hat, weil ihre Mutter bei ihrer Geburt gestorben ist, und die nach ihrer Heirat mit in die Stadt gezogen ist. Sie erzählte uns von Goldfischchen, die gefangen war, und Prinz Heuschreck, der klein und grasgrün war, und sieben Jahre durch fremde Länder hüpfen mußte, bis er beide erlöste, wo er dann ein schöner Prinz ward und die schöne Prinzessin Goldfischchen heiratete und von andern Prinzen in Samt und Seide, in Samt und rotem Gold, so schön wie Milch und Blut – dann von klingenden Wäldern, redenden Karfunkeln – von den sieben klugen Hähnen – von dem armen Huhn, das auf dem hohen Nußberge erdurstete – und von tausend und tausend andern Dingen, täglich etwas Neues und täglich das Alte. – – Denkt nur, als Ihr vor dreizehn Wochen zum ersten Male in unser Haus tratet, hielt ich Euch im ersten Schreck selber für einen solchen Prinzen – weil Ihr so jung und mit so närrischem Zeuge beladen waret – und wie wir größer wurden, bekam ich vom Vater schöne Fabelbücher, und oben eine eigene Kammer mit schneeweißen Vorhängen und Simsen, und Tischen von schönem rotem Steine. Er verbot mir, in die Schenkstube zu
Weitere Kostenlose Bücher