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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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sammeln; ich warf Wälle auf, um den Winden zu wehren; ich baute ganze Gassen von gläsernen Häusern, um darin Pflanzen zu hegen, dann ließ ich kommen, was ihr teuer und vertraut war: die schönsten Blumen ihres Vaterlandes, die weichsten Gesträuche, die lieblichsten Vögel und Tiere – aber ach, den dunkelblauen Himmel und die weißen Häupter des Himalaja konnte ich nicht kommen lassen, und der Glanz meiner Wohnung war nicht der Glanz ihrer indischen Sonne.
    So lebte sie nun fort. Sie aß kein Fleisch; an mir duldete sie bloß, daß ich es tue und mich mit dem Blute der armen Tiere beflecke. Aber höher hätte sie mich gewiß geachtet, wenn ich es ebenfalls vermocht hätte, nur ihre Pflanzengerichte, ihre Früchte und ihr Obst zu genießen. Oft in jenen Tagen, die in den ersten Jahren so gleichförmig dahin flossen – oft, wenn ihr Mund an meinem hing, wenn ihre weichen, kleinen Arme mich umschlangen, und wenn ich in ihr großes, fremdes Auge blickte und darinnen ein langsam Schmachten sah – sie wußte selbst nicht, an welcher tiefen, schweren Krankheit sie leide oft sagte mir eine Stimme ganz deutlich in das Ohr: ›Gehe wieder mit ihr nach Indien, sie stirbt vor Heimweh‹; – aber mein hartes Herz war in seinem Europa befangen, und ahnete nicht, daß es anders sein sollte, daß ich, der Stärkere, hätte opfern sollen und können, was sie, die Schwächere, wirklich opferte, aber nicht konnte. Ich hörte die Stimme nicht, bis es zu spät war, und eine Tat geschah, die alles, alles endete. – – Siehst du, damals rollte auch der Wagen des Geschickes, nur daß er über zarte Glieder ging und sie zerquetschte.
    Ich hatte einen Bruder, Sixtus mit Namen – einen schöneren Jüngling kann man sich kaum denken – und dabei war er gut und herrlich, und ich liebte ihn wie ein Teil meines eigenen Herzens. Dieser Bruder kam von seinen weiten Reisen zurück und wollte einige Monate bei uns wohnen. Das sah ich gleich, daß er vor der Schönheit meines Weibes erschrak und zurückfuhr, und daß in sein armes Herz das Fieber der Leidenschaft gleichsam wie geflogen kam; aber ich kannte ihn als gut und mißtraute nicht, ja er dauerte mich, und ich sagte ihr, daß sie ihm gut sein möge, wie man einen Bruder liebt. – Ich kam seinem Herzen zu Hülfe, ich war noch freundlicher, noch liebreicher als je, daß es ihn erschüttere und er sich leichter besiege. Ich mißtraute nicht – und dennoch schwirrte es oft mit dunkeln Fittigen um mein Haupt, als laure irgendwo ein Ungeheuer, welches zum Entsetzen hereinbrechen würde. Ich wußte bisher nicht, ob sie damals von dem eine Ahnung hatte, was wir Treubruch in der Ehe nennen; denn ich war nicht darauf verfallen, ihr dies zu erklären: jetzt erzählte ich ihr davon, sie aber sah mich mit nichtssagenden Augen an, als verstände sie das Ding nicht, oder hielte es eben für unmöglich.
    Noch war nichts geschehen.
    Er schwärmte wild in den Bergen herum, oder saß halbe Nächte an der Äolsharfe des Prokopus. Seine Abreise näherte sich immer mehr. Ich aber war gedrückt, wie ein Tropenwald, auf dem schon die Wucht unsichtbarer Gewittermaterie liegt, wenn die Regenzeit kommen soll und die Sonne doch noch in dem heitern, aber dicken Blau des Himmels steht.
    So war es, als ich einmal in der Nacht von einer Reise zurück, die ich in einem Streite wegen schnöden Mammons tun mußte, gegen den Rothenstein angeritten kam. Es war eine heiße Julinacht; um den ganzen Berg hing ein düsteres, elektrisches Geheimnis, und seine Zinnen trennten sich an manchen Stellen gar nicht von den schwarzen Wolken. Die weißen tröstlichen Säulen des Parthenon konnte ich gar nicht sehen, aber um den dunklen Hügelkamm, der sie mir deckte, ging zuweilen ein sanftes, blauliches Leuchten der Gewitter. Mir war, wenn ich nur einmal dort wäre, dann wäre alles gut, – aber je mehr ich ritt, desto mehr war es, als würde der ganze Berg von den Wolken eingetrunken, und ich konnte ihn nicht erreichen, ach ich konnte ihn nicht erreichen! Auch mein Rappe, schien es, teile meine Angst; denn er war nicht wie gewöhnlich, wenn er die Heimat witterte, freudig und ungestüm, sondern er stöhnte leise, und sein Nacken war feucht. Einmal war mirs, als höre ich auch meinen Diener nicht mehr hinter mir reiten, aber wie ich anhielt und umblickte, so stand doch seine dunkle Gestalt dicht hinter mir.
    Nicht Eifersucht war es, die mich trieb – nein, nicht Eifersucht – – aber es war mir immer, Chelion würde in

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