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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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nichts über das Ziel der Reise. Endlich fuhr sie wieder nach Hause.
    Ein Tag um den andern verging, ohne daß die Männer zurückkehrten, eine Woche nach der andern verging. Als aber endlich Robert allein zurückkam, so kam mit ihm zugleich eine Nachricht mit, die wie ein Lauffeuer von Land zu Land lief, von einem Berge der Fichtau zum andern, und die in Annas verborgenem Herzen einen ganzen Sturm von Freude und einen fürchterlichen Schreck emporjagte.

3. Der rote Stein
    Während nicht nur in der Fichtau, sondern im ganzen Lande noch ein außerordentliches Geschrei über das Wunder war, so sich begeben; während Arbeitsleute aller Art auf dem Rothensteine beschäftigt waren, so daß es schien, als rühre sich nun der ganze Berg, der früher so vereinsamt gewesen; während das vermauerte Tor nun wieder gastlich seine Wölbung offen hielt und auf einem Gerüste Steinmetzen oder Steinhauer an seiner Verzierung arbeiteten; während kein Weg auf dem Berge war, auf dem nicht ein Karren quiekte, kein Busch, hinter dem es sich nicht rührte, kein Dach, auf dem es nicht ging, kein Zimmer, in dem es nicht scheuerte – – während dieses alles geschah, ging Heinrich langsam bei dem großen verfallenen Tore des Julianschlosses hinein, in das einzige Bauwerk, in welchem keine Hand sich regte; er ging den betretenen Pfad über den Schutthügel; er ging bei der ent gegengesetzten Öffnung wieder hinaus, durchwandelte den verfallenen Garten auch auf dem wohlbetretenen Pfade, und hielt vor dem hohen roten Felsen stille, zu dem die Pfade führten. Hier zog er einen Schlüssel aus seinem Busen hervor, – denn die Siegel waren schon alle nicht mehr da – drehte ihn dreimal in dem Schlosse und öffnete sanft die hohen, glatten, eisernen Torflügel. Da sah ein weiter, matt dämmernder Gang heraus; weit ge schweifte, flache, halbkreisartige Stufen von blutigrotem Marmor wiesen zu einem zweiten Eisentore von wunder schöner Arbeit, die zwei Schlüsselmündungen mit gediegenem Golde umlegt. Er trat ein. Hinter sich schloß er die äußern Tore und schritt über das Lichtgezitter, das eine Spiegelvorrichtung von oben herab auf den Estrich des Ganges warf und ihn schwach beleuchtete. Nachdem er die Stufen emporgegangen war, nahm er die zwei kleinen stählernen Schlüssel aus einem Samtfache, das er mit sich trug, und öffnete die eiserne, goldbelegte Pforte. Ein großer, ruhiger Felsensaal tat sich auseinander, auf seinem Fußboden dasselbe Spiegellichterspiel zeigend wie der Gang und damit die im Sechseck gestellten Wände matt beleuchtend, an denen es wie von Metallen glänzte. Heinrich ging ebenfalls hinein und schloß hinter sich zu. Dann aber ging er den Wänden entlang, drückte an verschiedenen Stellen, worauf sich die eisernen Lehnen von den Fenstern der Kuppel zurückschlugen und sanfte Lichtbäche von oben herabfallen ließen, die alles klar machten, aber die spielenden Lichtwunder des Fußbodens auslöschten. Bevor nun Heinrich irgend etwas anderes tat, schritt er gegen eine Stelle der Marmorwand, öffnete dort ein kleines stählernes Türchen, auf dem mit goldenen Buchstaben das Wort: ›Henricus II‹ stand, und legte ein beschriebenesHeft, das er aus seinem Busen zog, hinein. Dann schloß er langsam das Wandkästchen wieder und trat zurück. Es standen aber noch viele andere solche Türchen herum, und jedes trug in goldenen Buchstaben einen Namen. Sonst war aber weder Geräte noch irgend etwas im Saale, außer einem marmornen Tische, der vor einer Art Altar stand, und einem hochlehnigen Stuhle aus Erz. Heinrich ging an den vielen Türchen vorüber; erst eines der letzten, bevor die unbeschriebenen kamen, öffnete er und zog die Schriften aus dem Eisenschranke hervor, die drinnen waren. Auf dem hohen Stuhle sitzend, die Papiere vor sich auf dem Tische, schlug er die ersten Blätter um, bis er zu einem eingelegten Zeichen kam, dann sein Haupt sachte vorwärts neigend, las er weiter, wie folgt:
    »Und darum kann ich euch keinen Dank haben, Ubaldus und Johannes, und Prokopus und Julianus – und wie ihr heißet; denn der Dämon der Taten steht jederzeit in einer neuen Gestalt vor uns, und wir erkennen ihn nicht, daß er einer sei, der auch schon euch erschienen war – und eure Schriften sind mir unnütz. Jedes Leben ist ein neues, und was der Jüngling fühlt und tut, ist ihm zum ersten Male auf der Welt: ein entzückend Wunderwerk, das nie war und nie mehr sein wird – aber wenn es vorüber ist, legen es die Söhne zu dem

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