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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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ich auch, wie hoch über den Wipfeln seiner Bäume das Schützenfähnlein wehte, eine lange, wallende Zunge, rot und weiß, welche Farben sich sanft von der tiefen Bläue des Himmels abhoben. Auch manches bläulich geringelte oder weiße Rauchwölklein ward zuweilen über den Laubkronen sichtbar, und man konnte schon die einzelnen Schüsse vernehmen.
    Da ich endlich an dem Fuße des Felsens angekommen war, wandelte ich langsam auf seinem geschlungenen Pfade empor, den ich als Knabe, wenn ich mit den Meinigen zuweilen hatte herab gehen dürfen, und als junger Student, wenn ich die Herbstfeiertage zu Hause zubrachte, niemals einschlug, sondern gerade aufwärts kletternd durchschnitt.
    Als ich bis zu dem Schießstande empor gekommen war, trat ich ein. Es mußte eben ein guter Schuß getan worden sein, wie ich aus dem Krachen des Feldmörsers, den man aufgestellt hatte, und aus dem Jauchzen des Schützenzielers vernahm. Der Stand hatte das gewöhnliche Aussehen, wie es an solchen Tagen ist. Zwei lagen vorne mit ihren Büchsen am Schießbaume und zielten und warteten – andere standen hinter ihnen in Bereitschaft, wenn sie abgeschossen hätten und weggegangen wären, einzutreten – wieder andere waren noch weiter zurück und arbeiteten an ihren Büchsen, um sie zurecht zu richten der alte Bernsteiner wischte sein schlechtes Gewehr und schleuderte die schwarzen Lappen seitwärts. Wenn man es mir auch nicht gesagt hätte, daß er bisher den besten Schuß getan habe, so hätte ich es doch aus seinem freudigen Gesichte erraten. Auch den oberen Wirt sah ich, den Forstmeister, den Marktschreiber und viele andere Bekannte.
    Es streckten sich mir mehrere Hände und, wie es bei uns gebräuchlich ist, manches Glas zum Gruße entgegen. Ich dankte nach den verschiedenen Seiten und tat Bescheid. Und als ich die Einladung, daß ich doch heute auch mit schießen möge, mit den Worten abgelehnt hatte, daß ich nicht mehr so schießen könne wie in meinen Schuljahren, und daß mir meine Geschäfte auch keine Übung erlauben: schaute ich die Anstalten an. Die hölzernen Säulen des Standes waren mit Flittern umwunden. Auf dem Gipfel des Gebäudes hing die schwere, große Schützenfahne nieder, zum Unterschiede der schmalen, langen, die über den Baumwipfeln des Felsens flatterte. Alle Nadeln und Finger der Pirlinger Mädchen hatten daran gearbeitet und hatten breite feurige Bänder dazu gegeben. Die Hinterwand des Saales war mit berühmten Scheiben der Vergangenheit bedeckt. Ich erkannte beinahe mit Herzklopfen manche darunter aus meiner Kindheit, und andere, in denen noch die Löcher meiner eigenen einstigen Kugeln waren. Unter den Scheiben saßen solche, die da aßen und tranken, lauter Männer; denn die Frauen und Mädchen durften während des Schießens nicht herein. Auf einem lichtgrün angestrichenen Gerüste, das seitwärts des Schützenschreiberhäuschens war, stand, von einem Geländer umfangen, daß er nicht herab könne, der blütenweiße, langhaarige Bock des oberen Wirtes. Die Spitzen seiner Hörner waren vergoldet, und zwischen denselben trug ereinen großen, aufrechten Kranz aus Blumen und Bändern eingeflochten, in welchem Kranze wieder sieben eingefaßte leuchtende Taler zu sehen waren. Von dem Kopfe des Tieres hingen überdies noch Bänder und Fransen herab, und in die schön gekämmte Mähne und in den Bart waren zuletzt noch seidene rosenrote Schleifen gebunden. Hinter dem Bocke, auf einem Pfeiler ins Kreuz gesteckt, war der zweite Preis: zwei himmelblaue Seidenfähnlein mit eingewirkten Goldstücken. Dann war ein Blumenstrauß, aus lauter kleinen Silbermünzen zusammen gesetzt. Er stand in einem Geschirre auf einem Tischlein. Zuletzt war ein mit Bein und Perlenmutter eingelegtes Horn, zum Aufbewahren des Pulvers. Dasselbe hing mit einem zierlichen Bande gebunden an einem Baumaste. Außerhalb des Schießhauses, weil sie ebenfalls nicht hinein durften, standen dicht gedrängt die Pirlinger Buben und staunten, wie einstens ich selber, den Bock, die Schützen und die anderen Sachen an. Ein wenig weiter weg war in die Zweige mehrerer neben einander stehender Föhren ein Gerüste gebaut worden, auf welchem, in den Wald der Nadeln eingehüllt, die Hornbläser saßen und die eingelernten Stücke von Zeit zu Zeit vernehmen ließen. In dem Schießhause waren auch Trompeten! die auf jeden glücklichen Schuß in lustiger Weise tönten.
    Als ich alles eine Weile angeschaut hatte, trat ich wieder unter die Bäume hinaus. Ich hatte

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