Werke
als ihrer Mutter. – Aber jetzt, Doktor, müssen wir zu den anderen hinunter gehen. Sie wissen schon, daß Ihr da seid, Ihr müßt ihnen auch eine kleine Zeit gönnen, da Ihr ohnehin immer durch Euer Amt aufgehalten seid und zu solchen Dingen gewöhnlich erst spät kommen könnt.«
»Wartet noch einen Augenblick, Obrist,« sagte ich, »Ihr wißt wohl, wie ich Euch stets verehrt und geliebt habe; aber Ihr tut mir noch immer mehr Gutes, als ich erwarten und verdienen konnte. Ich muß Euch hier meinen großen Dank dafür sagen, und muß Euch sagen, seit Ihr in der Gegend seid, ist es mir, als hätte ich wieder einen Vater, und wäre nicht mehr, wie früher, allein.«
»Ihr habt es ja erfahren, ich bin es auch, ich bin Euer Vater«, antwortete er, »und werde es in der Zukunft noch mehr sein. – Aber jetzt kommt, laßt uns hinunter gehen, die anderen warten schon und möchten es übel nehmen, wenn gerade wir zwei nicht an der Fröhlichkeit Anteil nähmen.«
Nach diesen Worten wendeten wir uns beide von dem Gipfel des Felsens und stiegen auf dem Wege, der um Steine und graue Klippen geht, hinunter. Wir hatten oben von der allgemeinen Freude nicht viel vernommen. Die Schüsse hörten wir nur gedämpft, und von dem Wäldchen mochte manchmal ein einzelner Ruf herauf gekommen sein, den wir nicht beachteten. Da wir aber hinab gingen, näherten sich uns gleichsam wieder die Schüsse, die Töne der Waldhörner, die Rufe der Knaben und Mädchen, und das ruhige Gemurmel des allgemeinen Durcheinandersprechens der Menschen. Wir schlugen weiter unten einen andern Weg ein, als den ich heraufgegangen war, und näherten uns der hölzernen Hütte, dem Gezelte und überhaupt dem Platze, wo die Menschen mehr zu ihrer Lust zusammengedrängt waren.
Wir kamen wieder zu wandelnden Gruppen und zu spielenden Kindern. Auf einem grünen Platze unter den Bäumen war ein Stand aufgeschlagen, wo man Lebkuchen verkaufte, und nicht weit davon war einer, in welchem der Josikrämer stand und seine Sachen zum Verkaufe ausgelegt hatte. Er hatte gerade diejenigen gewählt, welche für den heutigen Tag die passendsten waren. Weil ich und er die einzigen waren, die in der Gegend am meisten herum kommen und auf ihren Wanderungen sich öfter treffen, ging ich zu ihm hinzu und sprach mehrere Worte mit ihm. Der Obrist redete mit den Kindern und gab ihnen Geschenke, wovon er die Taschen seines Gewandes voll hatte.
Endlich kamen wir zu dem Gezelte. Es war nicht ein von allen Seiten geschlossenes, sondern man hatte über einen großen Tisch, an welchem die vorzüglicheren Bewohner der Gegend saßen, gleichsam einen weißen Baldachin in die Baumäste geknüpft, um die Sonnenstrahlen abzuhalten; aber es war dennoch wie ein rings herum begrenzter Saal, weil gerade um den Platz die schönsten und dichtesten Föhren und Birken standen. Als wir durch den Eingang eingetreten waren, sahen von dem oberen Ende des Tisches zwei sanfte Augen auf mich herüber – ach Gott! ich erkannte sie gleich – es waren Margaritas Augen, – sie blickten mit dem schönen, demütigen Lichte, das einst meine Freude und mein Entzücken gewesen war. Wir gingen an den Menschen, die an dem Tische saßen, nach einander hinauf, damit ich sie begrüße, und damit wir, der Obrist und ich, die Stühle einnähmen, die man an ihrer Seite für uns leer gelassen hatte. Da ich bis zu ihr gekommen war, sagte ich: »Seid mir herzlich schön gegrüßet, Margarita, ich bin abwesend gewesen, da Ihr angekommen seid, sonst hätte ich meinen Willkommensgruß schon in das Haghaus hinauf gebracht. Euer Vater hat es mir erst vor wenigen Augenblicken gesagt, daß Ihr auf dem Steinbühel seid. Seid mir recht, recht schön gegrüßt.«
Sie war aufgestanden, als ich zu ihr getreten war, und zog den Handschuh aus, um mir die Hand zu reichen. Sie war errötet, und die Hand, die sie mir reichte, zitterte sehr. »Seid mir auch gegrüßt«, antwortete sie. »Ich war schon drei Tage zu Hause, während Ihr fort waret, und heute morgens sind wir bei Euch gewesen, um Euch selber meine Ankunft zu sagen; aber Ihr seid sehr früh ausgefahren, und waret schon lange fort, da wir kamen. Seid mir vielmal gegrüßt.«
Wir faßten uns bei den wechselseitig dargereichten Händen und drückten uns dieselben recht freundlich.
Sie zog dann den Handschuh wieder an und setzte sich nieder. Obwohl sie zu Hause immer in bloßen Händen ist, und uns auch so auf unsere Spaziergänge und zum Pflücken der Blumen begleitet hatte, so hielt
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