Werke
Geheimnisse vor mir hätten?
Mellefont
. Sie glauben also doch, daß es ein Geheimnis gewesen sei?
Sara
. Aber keines, das mich angeht. Und das muß mir genug sein.
Mellefont
. Sie sind allzu gefällig. Doch erlauben Sie mir, daß ich Ihnen dieses Geheimnis gleichwohl entdecke. Es waren einige Zeilen von einer Anverwandten, die meinen hiesigen Aufenthalt erfahren hat. Sie geht auf ihrer Reise nach London hier durch, und will mich sprechen. Sie hat zugleich um die Ehre ersucht, Ihnen ihre Aufwartung machen zu dürfen.
Sara
. Es wird mir allezeit angenehm sein, Mellefont, die würdigen Personen Ihrer Familie kennen zu lernen. Aber, überlegen Sie es selbst, ob ich schon, ohne zu erröten, einer derselben unter die Augen sehen darf.
Mellefont
. Ohne zu erröten? Und worüber? Darüber, daß Sie mich lieben? Es ist wahr, Miß, Sie hätten Ihre Liebe einem Edlern, einem Reichern schenken können. Sie müssen sich schämen, daß Sie Ihr Herz nur um ein Herz haben geben wollen, und daß Sie bei diesem Tausche Ihr Glück so weit aus den Augen gesetzt.
Sara
. Sie werden es selbst wissen, wie falsch Sie meine Worte erklären.
Mellefont
. Erlauben Sie, Miß; wenn ich sie falsch erkläre, so können sie gar keine Bedeutung haben.
Sara
. Wie heißt Ihre Anverwandte?
Mellefont
. Es ist – Lady Solmes. Sie werden den Namen von mir schon gehört haben.
Sara
. Ich kann mich nicht erinnern.
Mellefont
. Darf ich bitten, daß Sie ihren Besuch annehmen wollen?
Sara
. Bitten, Mellefont? Sie können mir es ja befehlen.
Mellefont
. Was für ein Wort! – Nein, Miß, sie soll das Glück nicht haben, Sie zu sehen. Sie wird es betauern; aber sie muß es sich gefallen lassen. Miß Sara hat ihre Ursachen, die ich auch, ohne sie zu wissen, verehre.
Sara
. Mein Gott! wie schnell sind Sie, Mellefont! Ich werde die Lady erwarten; und mich der Ehre ihres Besuchs, so viel möglich, würdig zu erzeigen suchen. Sind Sie zufrieden?
Mellefont
. Ach, Miß, lassen Sie mich meinen Ehrgeiz gestehen. Ich möchte gern gegen die ganze Welt mit Ihnen prahlen. Und wenn ich auf den Besitz einer solchen Person nicht eitel wäre, so würde ich mir selbst vorwerfen, daß ich den Wert derselben nicht zu schätzen wüßte. Ich gehe, und bringe die Lady sogleich zu Ihnen. Gehet ab.
Sara
allein. Wenn es nur keine von den stolzen Weibern ist, die voll von ihrer Tugend, über alle Schwachheiten erhaben zu sein glauben. Sie machen uns mit einem einzigen verächtlichen Blicke den Prozeß, und ein zweideutiges Achselzucken ist das ganze Mitleiden, das wir ihnen zu verdienen scheinen.
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Dritter Auftritt
Waitwell. Sara.
Betty
zwischen der Szene. Nur hier herein, wenn Er selbst mit ihr sprechen muß.
Sara
die sich umsieht. Wer muß selbst mit mir sprechen? – Wen seh’ ich? Ist es möglich? Waitwell, dich?
Waitwell
. Was für ein glücklicher Mann bin ich, daß ich endlich unsere Miß Sara wieder sehe!
Sara
. Gott! was bringst du? Ich hör’ es schon, ich hör’ es schon, du bringst mir die Nachricht von dem Tode meines Vaters! Er ist hin, der vortrefflichste Mann, der beste Vater! Er ist hin, und ich, ich bin die Elende, die seinen Tod beschleuniget hat.
Waitwell
. Ach! Miß – –
Sara
. Sage mir, geschwind sage mir, daß die letzten Augenblicke seines Lebens ihm durch mein Andenken nicht schwerer wurden; daß er mich vergessen hatte; daß er eben so ruhig starb als er sich sonst in meinen Armen zu sterben versprach; daß er sich meiner auch nicht einmal in seinem letzten Gebete erinnerte – –
Waitwell
. Hören Sie doch auf, sich mit so falschen Vorstellungen zu plagen! Er lebt ja noch, Ihr Vater; er lebt ja noch, der rechtschaffne Sir William.
Sara
. Lebt er noch? Ist es wahr, lebt er noch? O! daß er noch lange leben, und glücklich leben möge! O! daß ihm Gott die Hälfte meiner Jahre zulegen wolle! Die Hälfte? – Ich Undankbare, wenn ich ihm nicht mit allen, so viel mir deren bestimmt sind, auch nur einige Augenblicke zu erkaufen bereit bin! Aber nun sage mir wenigstens, Waitwell, daß es ihm nicht hart fällt, ohne mich zu leben; daß es ihm leicht geworden ist, eine Tochter aufzugeben, die ihre Tugend so leicht aufgeben können; daß ihn meine Flucht erzürnet, aber nicht gekränkt hat, daß er mich verwünschet, aber nicht betauert.
Waitwell
. Ach, Sir William ist noch immer der zärtliche Vater, so wie sein Sarchen noch immer die zärtliche Tochter ist, die sie beide gewesen sind.
Sara
. Was sagst du? Du bist ein Bote des
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