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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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viel einzubilden gehabt. Denn der Stoff ist nicht von ihm; sondern Teils aus einer Spanischen Erzählung, die man bei dem Scarron, unter dem Titel, die vergebliche Vorsicht, findet, Teils aus den spaßhaften Nächten des Straparolle genommen, wo ein Liebhaber einem seiner Freunde alle Tage vertrauet, wie weit er mit seiner Geliebten gekommen, ohne zu wissen, daß dieser Freund sein Nebenbuhler ist.
    »Die Frauenschule, sagt der Herr von Voltaire, war ein Stück von einer ganz neuen Gattung, worin zwar alles nur Erzählung, aber doch so künstliche Erzählung ist, daß alles Handlung zu sein scheinet.«
    Wenn das Neue hierin bestand, so ist es sehr gut, daß man die neue Gattung eingehen lassen. Mehr oder weniger künstlich, Erzählung bleibt immer Erzählung, und wir wollen auf dem Theater wirkliche Handlungen sehen. – Aber ist es denn auch wahr, daß alles darin erzählt wird? daß alles nur Handlung zu sein scheint? Voltaire hätte diesen alten Einwurf nicht wieder aufwärmen sollen; oder, anstatt ihn in ein anscheinendes Lob zu verkehren, hätte er wenigstens die Antwort beifügen sollen, die Moliere selbst darauf erteilte, und die sehr passend ist. Die Erzählungen nämlich sind in diesem Stücke, vermöge der innern Verfassung desselben, wirkliche Handlung; sie haben alles, was zu einer komischen Handlung erforderlich ist; und es ist bloße Wortklauberei, ihnen diesen Namen hier streitig zu machen. (57) Denn es kömmt ja weit weniger auf die Vorfälle an, welche erzählt werden, als auf den Eindruck, welchen diese Vorfälle auf den betrognen Alten machen, wenn er sie erfährt. Das Lächerliche dieses Alten wollte Moliere vornehmlich schildern; ihn müssen wir also vornehmlich sehen, wie er sich bei dem Unfalle, der ihm drohet, gebärdet; und dieses hätten wir so gut nicht gesehen, wenn der Dichter das, was er erzählen läßt, vor unsern Augen hätte vorgehen lassen, und das, was er vorgehen läßt, dafür hätte erzählen lassen. Der Verdruß, den Arnolph empfindet; der Zwang, den er sich antut, diesen Verdruß zu verbergen; der höhnische Ton, den er annimmt, wenn er den weitern Progressen des Horaz nun vorgebauet zu haben glaubet; das Erstaunen, die stille Wut, in der wir ihn sehen, wenn er vernimmt, daß Horaz dem ohngeachtet sein Ziel glücklich verfolgt: das sind Handlungen, und weit komischere Handlungen, als alles, was außer der Szene vorgeht. Selbst in der Erzählung der Agnese, von ihrer mit dem Horaz gemachten Bekanntschaft, ist mehr Handlung, als wir finden würden, wenn wir diese Bekanntschaft auf der Bühne wirklich machen sähen.
    Also, anstatt von der Frauenschule zu sagen, daß alles darin Handlung scheine, obgleich alles nur Erzählung sei, glaubte ich mit mehrerm Rechte sagen zu können, daß alles Handlung darin sei, obgleich alles nur Erzählung zu sein scheine.
    { ‡ }
Vier und funfzigstes Stück
    Den 6ten November, 1767
    Den drei und vierzigsten Abend (Dienstags, den 14ten Julius,) ward die Mütterschule des La Chaussee, und den vier und vierzigsten Abend (als den 15ten,) der Graf von Essex wiederholt. (58)
    Da die Engländer von je her so gern domestica facta auf ihre Bühne gebracht haben, so kann man leicht vermuten, daß es ihnen auch an Trauerspielen über diesen Gegenstand nicht fehlen wird. Das älteste ist das von Joh. Banks, unter dem Titel, der unglückliche Liebling, oder Graf von Essex. Es kam 1682 aufs Theater, und erhielt allgemeinen Beifall. Damals aber hatten die Franzosen schon drei Essexe: des Calpronede von 1638; des Beyer von 1678, und des jüngern Corneille, von eben diesem Jahre. Wollten indes die Engländer, daß ihnen die Franzosen auch hierin nicht möchten zuvorgekommen sein, so würden sie sich vielleicht auf Daniels Philotas beziehen können; ein Trauerspiel von 1611, in welchem man die Geschichte und den Charakter des Grafen, unter fremden Namen, zu finden glaubte. (59)
    Banks scheinet keinen von seinen französischen Vorgängern gekannt zu haben. Er ist aber einer Novelle gefolgt, die den Titel, Geheime Geschichte der Königin Elisabeth und des Grafen von Essex, führet, (60) wo er den ganzen Stoff sich so in die Hände gearbeitet fand, daß er ihn bloß zu dialogieren, ihm bloß die äußere dramatische Form zu erteilen brauchte. Hier ist der ganze Plan, wie er von dem Verfasser der unten angeführten Schrift, zum Teil, ausgezogen worden. Vielleicht, daß es meinen Lesern nicht unangenehm ist, ihn gegen das Stück des Corneille halten zu können.
    »Um

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