Werke
Philosophie verlangen. Es kann sich Wissenschaft, Gelehrsamkeit und alle Talente erwerben, die sich durch Mühe und Arbeit erwerben lassen. Aber jenes himmlische Feuer, welches die Seele erhitzet und entflammet, jenes um sich greifende verzehrende Genie, jene brennende Beredsamkeit, jene erhabene Schwünge, die ihr Entzückendes dem Innersten unseres Herzens mitteilen, werden den Schriften des Frauenzimmers allezeit fehlen.«
Also fehlen sie wohl auch der Cenie? Oder, wenn sie ihr nicht fehlen, so muß Cenie notwendig das Werk eines Mannes sein? Rousseau selbst würde so nicht schließen. Er sagt vielmehr, was er dem Frauenzimmer überhaupt absprechen zu müssen glaube, wolle er darum keiner Frau insbesondere streitig machen. (Ce n’est pas à une femme, mais aux femmes que je refuse les talens des hommes (55) .) Und dieses sagt er eben auf Veranlassung der Cenie; eben da, wo er die Graffigni als die Verfasserin derselben anführt. Dabei merke man wohl, daß Graffigni seine Freundin nicht war, daß sie übels von ihm gesprochen hatte, daß er sich an eben der Stelle über sie beklagt. Dem ohngeachtet erklärt er sie lieber für eine Ausnahme seines Satzes, als daß er im geringsten auf das Vorgeben des Chevrier anspielen sollte, welches er zu tun, ohne Zweifel, Freimütigkeit genug gehabt hätte, wenn er nicht von dem Gegenteile überzeugt gewesen wäre.
Chevrier hat mehr solche verkleinerliche geheime Nachrichten. Eben dieser Abt, wie Chevrier wissen will, hat für die Favart gearbeitet. Er hat die komische Oper, Annette und Lubin, gemacht; und nicht sie, die Aktrice, von der er sagt, daß sie kaum lesen könne. Sein Beweis ist ein Gassenhauer, der in Paris darüber herumgegangen; und es ist allerdings wahr, daß die Gassenhauer in der französischen Geschichte überhaupt unter die glaubwürdigsten Dokumente gehören.
Warum ein Geistlicher ein sehr verliebtes Singspiel unter fremdem Namen in die Welt schicke, ließe sich endlich noch begreifen. Aber warum er sich zu einer Cenie nicht bekennen wolle, der ich nicht viele Predigten vorziehen möchte, ist schwerlich abzusehen. Dieser Abt hat ja sonst mehr als ein Stück aufführen und drucken lassen, von welchen ihn jedermann als den Verfasser kennet, und die der Cenie bei weiten nicht gleich kommen. Wenn er einer Frau von vier und funfzig Jahren eine Galanterie machen wollte, ist es wahrscheinlich, daß er es gerade mit seinem besten Werke würde getan haben? –
Den zwei und vierzigsten Abend (Montags, den 13ten Julius,) ward die Frauenschule von Moliere aufgeführt.
Moliere hatte bereits seine Männerschule gemacht, als er im Jahre 1662 diese Frauenschule darauf folgen ließ. Wer beide Stücke nicht kennet, würde sich sehr irren, wenn er glaubte, daß hier den Frauen, wie dort den Männern, ihre Schuldigkeit geprediget würde Es sind beides witzige Possenspiele, in welchen ein Paar junge Mädchen, wovon das eine in aller Strenge erzogen und das andere in aller Einfalt aufgewachsen, ein Paar alte Laffen hintergehen; und die beide die Männerschule heißen müßten, wenn Moliere weiter nichts darin hätte lehren wollen, als daß das dümmste Mädchen noch immer Verstand genug habe zu betrügen, und daß Zwang und Aufsicht weit weniger fruchte und nutze, als Nachsicht und Freiheit. Wirklich ist für das weibliche Geschlecht in der Frauenschule nicht viel zu lernen; es wäre denn, daß Moliere mit diesem Titel auf die Ehestandsregeln, in der zweiten Szene des dritten Akts, gesehen hätte, mit welchen aber die Pflichten der Weiber eher lächerlich gemacht werden.
»Die zwei glücklichsten Stoffe zur Tragödie und Komödie, sagt Trublet, (56) sind der Cid und die Frauenschule. Aber beide sind vom Corneille und Moliere bearbeitet worden, als diese Dichter ihre völlige Stärke noch nicht hätten. Diese Anmerkung, fügt er hinzu, habe ich von dem Hrn. von Fontenelle.«
Wenn doch Trublet den Hrn. von Fontenelle gefragt hätte, wie er dieses meine. Oder Falls es ihm so schon verständlich genug war, wenn er es doch auch seinen Lesern mit ein Paar Worten hätte verständlich machen wollen. Ich wenigstens bekenne, daß ich gar nicht absehe, wo Fontenelle mit diesem Rätsel hingewollt. Ich glaube, er hat sich versprochen; oder Trublet hat sich verhört.
Wenn indes, nach der Meinung dieser Männer, der Stoff der Frauenschule so besonders glücklich ist, und Moliere in der Ausführung desselben nur zu kurz gefallen: so hätte sich dieser auf das ganze Stück eben nicht
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