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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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es mir, wie Ihnen der Inhalt des Blattes, das ich in der verhängnisvollen Brieftasche fand, so genau bekannt geworden ist. Ich würde Sie darüber, sowie über manches andere, das Sie dem Publikum aufzutischen für gut fanden, sehr ernst befragen, wenn gewisse gehmimnisvolle Beziehungen, gewisse innere Anklänge mir nicht untersagten, es mit einem schreibseligen Autor aufzunehmen. Vergessen sei daher, was Sie getan; sollten Sie aber keck genug sein, etwa von meinem gestrengen Herrn Mentor unterrichtet, fernere Berichte über mein Leben zu erstatten, so würde ich genötigt sein, eine Genugtuung von Ihnen zu fordern, wie sie Männern von Ehre ziemt, insofern mich nämlich nicht die weite Reise, die ich morgen anzutreten gedenke, daran hindert. – Übrigens zeichne ich mich mit vieler Achtung etc. etc.
    Strelitz, den 22. Mai 1821.
    Theodor Baron von S.«
    Hff. hatte herzliche Freude über den Brief des Onkels und lachte sehr über den des Neffen. Beide beschloß er zu beantworten, sobald er Schnüspelpolds und seiner schönen Pflegebefohlnen Bekanntschaft gemacht haben würde.
    Sowie es nur neun Uhr geschlagen, machte sich Hff. auf den Weg nach der Friedrichsstraße. Das Herz klopfte ihm vor Erwartung des Außerordentlichen, was sich nun begeben werde, als er die Klingel des Hauses anzog, dessen Nummer eben die von Schnüspelpold bezeichnete war.
    Auf die Frage, ob hier der Kanzleiassistent Schnüspelpold wohne, erwiderte das Hausmädchen, das die Türe geöffnet: »Allerdings!« und leuchtete ihm freundlich die Treppe herauf.
    »Herein!« rief eine bekannte Stimme, als Hff. leise anklopfte. Doch sowie er eintrat in das Zimmer, stockten alle seine Pulse, gerann ihm zu Eis alles Blut in den Adern, hielt er kaum sich aufrecht! – Nicht jener, ihm wohl von Ansehen bekannte Schnüspelpold, sondern ein Mann im weiten Warschauer Schlafrock, ein rotes Käppchen auf dem Haupt, aus einer langen türkischen Pfeife Rauchwolken vor sich herblasend, von Gesicht, Stellung – nun! – sein eigenes Ebenbild trat ihm entgegen und fragte höflich, wen er noch so spät zu sprechen die Ehre. – Hff. faßte sich mit aller Gewalt des Geistes zusammen und stammelte mühsam, ob er das Vergnügen habe, den Herrn Kanzleiassistenten Schnüspelpold vor sich zu sehen. –
    »Allerdings,« erwiderte der Doppeltgänger lächelnd, indem er die Pfeife ausklopfte und in den Winkel stellte, »allerdings, der bin ich, und sehr müßte ich irren, wenn Sie nicht derjenige wären, dessen Besuch ich heute gewärtigte. – Nicht wahr, mein Herr, Sie sind –« Er nannte Hff-s Namen und Charakter ausführlich. – »Gott,« sprach Hff., von Fieberfrost durchschüttelt, »Gott im Himmel, bis zu diesem Augenblick habe ich mich stets für den gehalten, den Sie soeben zu nennen beliebten, und ich vermute auch noch jetzt, daß ich es wirklich bin! – Aber, mein verehrtester Herr Schnüspelpold, es ist ein gar wankelmütiges Ding mit dem Bewußtsein der Existenz hienieden! – Sind Sie, mein Herr Schnüspelpold, denn von Grund Ihrer Seele aus überzeugt, daß Sie wirklich der Herr Schnüspelpold sind und kein andrer? Nicht etwa –« »Ha,« rief der Doppeltgänger, »ich verstehe, Sie waren auf eine andere Erscheinung gefaßt. Doch erregen Ihre Bedenken auch die meinigen insofern, als ich bloße Vermutungen nicht für Gewißheit und Sie so lange nicht für denjenigen halten kann, der hier erwartet wurde, bis Sie sich durch die richtige Beantwortung einer einfachen Frage legitimiert haben. Glauben Sie, mein wertester Herr – wirklich an den von der animalischen Gestaltung in der Körperwelt unabhängigen Konsensus der psychischen Kräfte in dem Bedingnis der erhöhten Tätigkeit des Zerebralsystems?«
    Hff. stutzte sehr bei dieser Frage, deren Sinn er nicht zu fassen imstande, und beantwortete sie dann, von purer innerer Angst getrieben, mit einem herzhaften: »Ja!«
    »O,« rief der Doppeltgänger voller Freude, »o mein Herr, – so sind Sie denn hinlänglich legitimiert zum Empfange des Vermächtnisses einer sehr teuern Person, das ich Ihnen nun sogleich aushändigen werde.« – Damit zog der Doppeltgänger eine kleine himmelblaue Brieftasche mit goldnem Schloß, in dem jedoch das Schlüsselchen befindlich, hervor.
    Hff. fühlte sein Herz erbeben, als er jene verhängnisvolle kleine himmelblaue Brieftasche erkannte, die der Baron Theodor von S. fand und wieder verlor. Mit aller Artigkeit nahm er das Kleinod dem Doppeltgänger aus der Hand und wollte sich

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