Werke
wenn Schnüspelpold alles Schimpfens und Schmälens unerachtet den Trieb nicht unterdrücken könne, den fragmentarischen Biographen näher kennen zu lernen, ihn vielleicht gar einzuweihen in die mystische Romantik seiner Pflegebefohlnen. – Ja gewiß! – sonst hätte Schnüspelpold nicht in der Verwirrung Straße und Nummer seiner Wohnung genannt bei den feierlichsten Protestationen, daß den Ort, wo er hingeflüchtet, niemand, am wenigsten aber Hff. erfahren solle. Sonst hätte die Nachfrage nach dem Damenputz nicht verraten, daß sie selbst da, das allerliebste herrliche Geheimnis. Hff. durfte ja nur hingehen zwischen neun und zehn Uhr, und im regen Leben konnte sich das gestalten, was ihm nur zugekommen wie durch träumerische Tradition. – Was für eine himmlische Aussicht für einen schreiblustigen Autor!
Dann mochte aber auch zweitens Hff. deshalb in die Lüfte springen, weil eine besondere Gunst des Schicksals ihn aus einer gräßlichen Verlegenheit reißen zu wollen schien. Versprechen macht Schulden, das ist ein altes bewährtes Sprichwort. Nun hatte aber Hff. in dem Taschenkalender von 1821 versprochen, ferneren Bericht abzustatten über den Baron Theodor von S. und über seine geheimnisvollen Verhältnisse, wenn er mehreres davon wisse. Die Zeit kommt heran, der Drucker rührt die Presse, der Zeichner spitzt den Krayon, der Kupferstecher bereitet die Kupferplatte. Hochlöbliche Kalenderdeputation fragt: »Wie steht es, mein Bester, mit Ihrem versprochenen Bericht für unsern Eintausendachthundertundzweiundzwanziger?« Und Hff. – weiß nichts, weiß gar nichts, da die Quelle versiegt, aus der ihm die »Irrungen« zuströmten. – Die letzten Tage des Mais kommen heran, Hochlöbliche Kalenderdeputation erklärt: »Bis Mitte Junius ist es noch Zeit, sonst erscheinen Sie als einer, der in den Wind hinein etwas verspricht und es dann nicht zu halten vermag.« Und Hff. weiß immer noch nichts, weiß am 25. Mai mittags um drei Uhr nichts! – Da erhält er Schnüspelpolds verhängnisvollen Brief, den Schlüssel zu der fest verschlossenen Pforte, vor der er stand, ganz hoffnungslos und höchst ärgerlich dazu. – Welcher Autor wird nicht gern einige Schmähungen erdulden, wenn ihm auf diese Weise aus der Not geholfen wird! –
Ein Unglück kommt selten allein, aber auch mit dem Glück ist es so! Die Konstellation der Briefe schien eingetreten zu sein, denn als Hff. aus dem Tiergarten nach Hause kam, fand er deren zwei auf seinem Schreibtische, die beide aus dem Mecklenburgischen kamen. Der erste, den Hff. öffnete, lautete in folgender Art:
»Ew. Wohlgeboren haben mir eine wahrhafte Freude dadurch gemacht, daß Sie die Torheiten meines Neffen in dem diesjährigen Berlinischen Taschenkalender an das Tageslicht förderten. Erst vor einigen Tagen ist mir Ihre Erzählung zu Gesicht gekommen. Mein Neffe hatte den Taschenkalender auch gelesen und lamentierte und tobte entsetzlich. Kehren Sie sich aber ebensowenig daran als an etwanige Drohungen, die er wider Sie ausstoßen sollte, sondern erstatten Sie getrost den versprochenen Bericht, insofern es Ihnen gelingt, mehr von dem ferneren Treiben meines Neffen und der wahnsinnigen Prinzessin nebst ihrem geckenhaften Vormunde zu erfahren. Ich für mein Teil möchte Ihnen dazu alles mögliche suppeditieren, der Junge (mein Neffe nämlich) will indessen durchaus nicht recht mit der Sprache heraus, und beifolgende Briefe meines Neffen und des Herrn von T., der ihn beobachtet und mir darüber geschrieben hat, sind alles, was ich zu Ihrem Bericht beitragen kann. Noch einmal! – kehren Sie sich an nichts, sondern schreiben Sie – schreiben Sie! – Vielleicht sind Sie es, der meinen albernen Neffen noch zur Vernunft bringt. Mit vorzüglicher Hochachtung etc. etc.
Strelitz, den 22. Mai 1821.
Achatius v. G .«
Der zweite Brief hatte folgenden Inhalt:
»Mein Herr!
Ein verräterischer Freund, der gar zu gern mein Mentor sein möchte, hat Ihnen die Abenteuer mitgeteilt, die ich vor einigen Jahren in B. erlebte, und Sie haben sich unterfangen, mich zum Helden einer ungereimten Erzählung zu machen, die Sie ein ›Fragment aus dem Leben eines Fantasten‹ genannt. – Wären Sie mehr als ein ordinärer Schriftsteller, der jeden Brocken, der ihm zugeworfen wird, begierig erhascht, hätten Sie nur einigen Sinn für die tiefe Romantik des Lebens, so würden Sie Männer, deren ganzes Sein nichts ist als hohe Poesie, von Phantasten zu unterscheiden wissen. Unbegreiflich ist
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