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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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mich mit Macht hingezogen fühlte zu der Wissenschaft aller Wissenschaften, die nur ein flacher abgestumpfter Zeitgeist verwerfen, nur ein unwissender Tor für dummes abgeschmacktes Zeug erklären kann. Ich meine die göttliche Kabbala! – Ihnen mehr von dieser Wissenschaft und von der Art zu sagen, wie es mir gelang, einzudringen in ihre Tiefen, das verlohnt nicht der Mühe, da Sie den Teufel was davon verstehen und vor schnöder unweiser Langeweile bald fest einschlafen würden. Es genügt zu sagen, daß ein Kabbalist unmöglich auf die Dauer mit Mut und Liebe Kanzleiassistent bleiben kann. Es war die heilige, göttliche Kabbala, die mich forttrieb aus der Kanzelei, forttrieb aus dem lieben Brandenburg in ferne Länder, wo ich die Propheten fand, die mich annahmen als wißbegierigen gelehrigen Schüler. – Man muß die Asche der Väter ehren! – Mein Vater, der Knopfmacher Schnüspelpold, war ein ziemlicher Kabbalist, und die Frucht vieljähriger Bemühungen ein Talisman, den ich aus meines Vaters Erbschaft mitnahm auf meiner Reise, und der mir gute Dienste geleistet hat. Es besteht dieser Talisman in einem zierlich gearbeiteten Hosenknopf, den man auf der Herzgrube tragen muß, und – Doch Sie hören mich nicht, Baron?« – »Allerdings,« sprach der Baron noch immer in den Kissen, »aber Ihr erzählt entsetzlich weitläuftig, Schnüspelpold, und noch habt Ihr gar nichts vorgebracht, was mich trösten könnte.«
    Das würde schon kommen, versicherte Schnüspelpold und fuhr dann weiter fort:
    »Ich durchreiste die Türkei, Griechenland, Arabien, Ägypten und andere Länder, wo sich den Kundigen die Schachten tiefer Weisheit öffnen, und kehrte endlich, nachdem ich dreihundertunddreiunddreißig Jahre auf der Reise zugebracht, nach Patras zurück. Es begab sich, daß ich in der Gegend von Patras bei einem Hause vorüberging, welches, wie ich wußte, von einem aus fürstlichem Stamm entsprossenen Griechen bewohnt wurde. Man rief mir nach: ›Gregoros Seleskeh, trete hinein, du kommst zur rechten Stunde.‹ Ich drehte mich um, erblickte in der Tür eine alte Frau, deren Gesicht und Gestalt Sie, wertester Herr Baron, und andere künstlerische Leute an die Sibyllen des Altertums erinnert hätte. Es war Aponomeria, die weise Frau, mit der ich sonst in Patras Umgang gepflogen und die meine Kenntnisse ungemein bereichert hatte. Wohl wußte ich nun, daß Aponomeria Hebammendienste verrichten sollte, was eigentlich ihr Beruf war in Patras. Ich trat hinein, die Fürstin lag in Kindesnöten, und bald war ein liebliches Wunder von Mägdlein geboren. ›Gregoros Seleskeh,‹ sprach Aponomeria feierlich, ›betrachte dieses Kind aufmerksam und berichte, was du erschaut.‹ Ich tat das, ich figierte meinen ganzen Sinn, all meine Gedanken auf das kleine Wesen. Da entzündete sich über dem Haupte des Kindes ein blendender Strahlenschimmer, in diesem Schimmer wurde aber ein blutiges Schwert und dann eine mit Lorbeern und Palmen umwundene Krone sichtbar. – Ich verkündete das. Da rief Aponomeria begeistert: ›Heil, Heil der edlen Fürstentochter!‹ – Die Fürstin lag wie im Schlummer, doch bald leuchteten ihre Augen auf, sie erhob sich frisch und munter, alle Jugendblüte im holden Antlitz, aus dem Bette, kniete nieder vor dem Bildnis des heiligen Johannes, das über einem kleinen Altar im Zimmer angebracht, und betete, den verklärten Blick emporgerichtet. ›Ja,‹ sprach sie dann, im Innersten bewegt, ›ja, meine Träume werden wahr – Teodoros Capitanaki – das blutige Schwert, es gehört dir, aber die palmen-und lorbeerumwundene Krone empfängst du aus der Hand dieser Jungfrau. Gregoros Seleskeh, Aponomeria! Meinen Gemahl – all ihr Heiligen, vielleicht ist er schon nicht mehr! – mich wird bald ein früher Tod hinraffen. Dann sollt ihr die treuen Eltern dieses Kindes sein. – Gregoros Seleskeh, ich kenne deine Weisheit, die Mittel, die dir zu Gebote stehen, du wirst ihn auffinden, den, der das blutige Schwert trägt, ihm wirst du die Fürstentochter in die Arme führen, wenn die Morgenröte aufsteigt, wenn die ersten Strahlen glühend aufflimmern und, von ihnen zum Leben entzündet, das gebeugte Volk sich aufrichtet!‹ – Als ich nach zwölf Jahren wieder nach Patras kam, waren beide gestorben, der Fürst und seine Gemahlin. Bei Aponomeria fand ich die Tochter, die nunmehr unser Kind worden. Wir gingen nach Zypern und fanden den, den wir suchten, den wir suchen mußten, um den reichen Schatz, das Besitztum der

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