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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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höheres Sein bedingt ist. Glaubt Ihr denn, daß meine Kraft solcher armseliger Krücken bedarf, als da sind: besondere mystische Formeln, Wahl einer besondern Zeit, eines abgelegenen schauerlichen Orts, deren sich armselige kabbalistische Schüler in nutzlosen Experimenten zu bedienen pflegen? – Auf offnem Markt, zu jeder Stunde könnt’ ich Euch beweisen, was ich vermag; und daß ich damals, als Ihr mich verwegen genug in die Schranken fordertet, eine besondere Zeit und, wie Ihr gleich sehen werdet, einen Ort wählte, der Euch vielleicht schauerlich bedünken möchte, war nur eine Artigkeit, die ich Eurethalben dem erzeigen wollte, der in gewisser Art diesmal Euer Gast sein soll. – Gäste empfängt man gern im Putzzimmer zur gelegensten Stunde.‹
    Es schlug eilf Uhr; der Major nahm die Fackeln und gebot uns, zu folgen.
    Er schritt so schnell, daß wir Mühe hatten, ihm nachzukommen, voran auf dem großen Wege fort und bog, als wir das Zollhäuschen erreicht, rechts ein in den Fußsteig, der durch den dort gelegenen dichten Tannenwald führt. Nachdem wir beinahe eine Stunde gelaufen, stand der Major still und mahnte uns, dicht hinter ihm zu bleiben, da wir uns sonst leicht im Dickicht des Waldes, in das wir nun hinein müßten, verlieren könnten. Nun ging es quer durch im dicksten Gestrüppe, so daß bald dieser, bald jener mit der Uniform oder mit dem Degen hängenblieb und sich mit Mühe losmachen mußte, bis wir endlich einen freien Platz erreichten. Mondesstrahlen brachen durch das finstre Gewölk, und ich gewahrte die Ruinen eines ansehnlichen Gebäudes, in welche der Major hineinschritt. Es wurde finstrer und finstrer; der Major rief uns zu, stillzustehen, weil er jeden einzeln hinabführen wolle. Mit dem Hauptmann machte er den Anfang; dann traf mich die Reihe. Der Major hatte mich umfaßt und trug mich mehr, als ich ging, hinunter in die Tiefe. ›Bleibt‹, flüsterte O’Malley mir zu, ›bleibt hier ruhig stehen, bis ich den Leutnant gebracht, dann beginnt mein Werk.‹
    Ich vernahm in der undurchdringlichen Finsternis die Atemzüge eines dicht neben mir Stehenden. ›Bist du es, Hauptmann?‹ rief ich. ›Allerdings,‹ erwiderte der Hauptmann; ›gib acht, Vetter, es läuft alles auf dumme Taschenspielerei hinaus; aber es ist ein ganz verdammter Ort, wo uns der Major hingeführt, und ich wollte ich säße wieder beim Punschnapf; denn mir beben alle Glieder vor Frost und, wenn du willst, auch vor einer gewissen kindischen Bangigkeit.‹ –
    Mir ging’s nicht besser wie dem Hauptmann. Der rauhe Herbstwind pfiff und heulte durch die Mauern, und ein seltsames Flüstern und Ächzen antwortete ihm aus der Tiefe. Aufgescheuchtes Nachtgeflügel rauschte und flatterte um uns her, während ein leises Winseln dicht über den Boden weg zu schleichen schien. – Wahrlich, wir beide, der Hauptmann und ich, konnten von den Schauern unseres Aufenthalts wohl dasselbe sagen, was Cervantes vom Don Quixote sagt, als er die verhängnisvolle Nacht vor dem Abenteuer mit den Walkmühlen übersteht: ›Ein minder Beherzter hätte alle Fassung verloren.‹ – An dem Wellengeplätscher eines nahen Wassers und an dem Heulen der Hunde gewahrten wir übrigens, daß wir uns nicht ferne von der Lederfabrik befinden mußten, die bei P. dicht an dem Strom gelegen ist. Endlich vernahmen wir dumpfe Tritte, die sich immer mehr näherten, bis dicht bei uns der Major laut rief: ›Nun sind wir beisammen, und es kann vollbracht werden, was begonnen!‹ – Mittelst eines chemischen Feuerzeuges zündete er die Fackeln an, die er mitgebracht, und steckte sie in den Boden. Es waren sieben an der Zahl. Wir befanden uns in einem verfallenen Kellergewölbe. O’Malley stellte uns in einen Halbkreis, warf Mantel und Hemde ab, so daß er bis an den Gürtel nackt dastand, schlug das Buch auf und begann mit einer Stimme, die mehr dem dumpfen Brüllen eines fernen Raubtiers, als dem Ton eines Menschen glich, zu lesen: ›Monsieur, prêtez moi un peu, s’il vous plait, votre canif. – Oui, Monsieur, d’abord – le voilà – je vous le rendrai‹.« – »Nein,« unterbrach Albert hier den Freund, »nein, das ist zu arg! – Das Gespräch: ›vom Schreiben‹ aus Pepliers Grammaire als Beschwörungsformel! – Und ihr lachtet nicht laut auf, und das ganze Spiel hatte nicht auf einmal ein Ende?« –
    »Ich,« fuhr Viktor fort, »ich komme nun zu einem Moment, von dem ich in der Tat nicht weiß, ob es mir gelingen wird, ihn dir darzustellen.

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