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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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anzufangen; er versicherte daher, artig einlenkend, daß er zwar allerdings den Major gemeint, indessen nur Scherz im Sinne gehabt, der vielleicht unzeitig gewesen. Im Ernst wolle er aber jetzt den Major fragen, ob er nicht gut tun würde, das alberne Gerücht, daß er wirklich über unheimliche Mächte gebiete, zu widerlegen und so auch seinerseits dem dummen Aberglauben zu steuern, der nicht mehr in das aufgeklärte Zeitalter passe. – Der Major lehnte sich über den ganzen Tisch, stützte den Kopf auf beide Fäuste, so daß seine Nase kaum eine Spanne weit von des Hauptmanns Antlitz entfernt war, und sprach dann, ihn mit seinen hervorglotzenden Augen starr anblickend, sehr gelassen: ›Hat Euch, mein Gönner, der Herr auch nicht etwa mit einem sehr durchdringenden Geist erleuchtet, so werdet Ihr, hoff’ ich, doch einzusehn vermögen, daß es die törichtste, einbildischste, ja, ich möchte sagen, verruchteste Anmaßung wäre, wenn wir glauben wollten, mit unserm geistigen Prinzip sei alles abgeschlossen, und es gebe keine geistige Naturen, die anders begabt, als wir, oft nur sich selbst aus jener Natur allein die momentane Form bildend, sich uns offenbaren in Raum und Zeit, ja, die, nach irgendeiner Wechselwirkung strebend, hineinflüchten könnten in das Tongebäcke, was wir Körper nennen. Ich will es Euch nicht zum Vorwurf machen, Hauptmann, daß Ihr in allen Dingen, die man weder bei der Revue noch auf der Parade lernt, sehr unwissend seid und nichts gelesen habt. Hättet Ihr aber nur etwas weniges in tüchtige Bücher geguckt, kenntet Ihr den Cardanus, den Justinus Martyr, den Lactanz, den Cyprian, den Clemens von Alexandrien, den Macrobius, den Trismegistus, den Nollius, den Dorneus, den Theophrastus, den Fludd, den Wilhelm Postel, den Mirandola, ja nur die kabbalistischen Juden Joseph und Philo, Euch wäre vielleicht eine Ahnung aufgegangen von Dingen, die jetzt Euern Horizont übersteigen, und von denen Ihr daher auch gar nicht reden solltet.‹
    Damit sprang O’Malley auf und ging mit starken gewaltigen Schritten auf und ab, so daß die Fenster und die Gläser zitterten.
    Unerachtet, versicherte der Hauptmann etwas betreten, unerachtet er des Majors Gelehrsamkeit hoch in Ehren halte, unerachtet er gar nicht in Abrede stellen wolle, daß es höhere geistige Naturen gebe und geben müsse; so sei er doch fest überzeugt, daß irgendeine Verbindung mit einer unbekannten Geisterwelt durchaus gegen die Bedingung der menschlichen Natur, mithin unmöglich sei und alles, was als Beweis des Gegenteils gelten solle, auf Selbsttäuschung oder Betrug beruhe.
    O’Malley blieb, als der Hauptmann schon einige Sekunden geschwiegen, plötzlich stehen und begann: ›Hauptmann, oder‹ (sich zu mir wendend) ›Ihr, Leutnant, tut mir den Gefallen und setzt Euch hin und schreibt ein Heldengedicht, ebenso herrlich, so übermenschlich groß wie die Ilias!‹
    Wir erwiderten beide, daß uns das wohl nicht gelingen werde, da keinem der homerische Geist inwohne. ›Ha, ha,‹ rief der Major, ›seht Ihr wohl, Hauptmann! Weil Euer Geist unfähig ist, Göttliches zu empfangen und zu gebären, ja, weil Eure Natur nicht einmal von der Beschaffenheit sein mag, sich auch nur zur Erkenntnis zu entzünden, deshalb müßtet Ihr eigentlich leugnen, daß aus irgendeinem Menschen sich dergleichen gestalten könne. – Ich sage Euch, jener Umgang mit höheren geistigen Naturen ist bedingt durch einen besondern psychischen Organism; und wie die dichterische Schöpfungskraft, so ist auch jener Organism eine Gabe, mit der die Gunst des Weltgeistes seinen Liebling ausstattet.‹
    Ich las in des Hauptmanns Gesicht, daß er im Begriff stand, irgend etwas Spöttisches dem Major zu entgegnen. Um es nicht dazu kommen zu lassen, nahm ich das Wort und machte dem Major bemerklich, daß, soviel ich wüßte, doch die Kabbalisten gewisse Formen und Regeln aufstellten, um zu jenem Umgange mit unbekannten geistigen Wesen zu gelangen. Noch ehe der Major aber antworten konnte, sprang der Hauptmann, von Wein erhitzt, auf und sprach im bittern Ton: ›Nun was hilft hier alles Schwatzen; Ihr gebt Euch für eine höhere Natur aus, Major; Ihr wollt uns glauben machen, daß Ihr, aus besserm Stoff geschaffen als unsereins, den Geistern gebietet! – Erlaubt, daß ich Euch so lange für einen betörten Schwärmer halte, bis Ihr uns Eure psychische Kraft zutage gelegt.‹
    Der Major lachte wild auf und sprach dann: ›Ihr haltet mich für einen gemeinen Geisterbanner,

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