Werke
Entstehen der Melodien im Innern, das bewußtlose oder vielmehr das in Worten nicht darzulegende Erkennen und Auffassen der geheimen Musik der Natur als Prinzip des Lebens oder alles Wirkens in demselben sein. Die hörbaren Laute der Natur, das Säuseln des Windes, das Geräusch der Quellen u.a.m. sind dem Musiker erst einzelne ausgehaltene Akkorde, dann Melodien mit harmonischer Begleitung. Mit der Erkenntnis steigt der innere Wille, und mag der Musiker sich dann nicht zu der ihn umgebenden Natur verhalten wie der Magnetiseur zur Somnambule, indem sein lebhaftes Wollen die Frage ist, welche die Natur nie unbeantwortet läßt? – Je lebhafter, je durchdringender die Erkenntnis wird, desto höher steht der Musiker als Komponist, und die Fähigkeit, jene Anregungen wie mit einer besonderen geistigen Kraft festzuhalten und festzubannen in Zeichen und Schrift, ist die Kunst des Komponierens. Diese Macht ist das Erzeugnis der musikalischen künstlichen Ausbildung, die auf das ungezwungene geläufige Vorstellen der Zeichen (Noten) hinarbeitet. Bei der individualisierten Sprache waltet solch innige Verbindung zwischen Ton und Wort, daß kein Gedanke in uns sich ohne seine Hieroglyphe – (den Buchstaben der Schrift) erzeugt, die Musik bleibt allgemeine Sprache der Natur, in wunderbaren, geheimnisvollen Anklängen spricht sie zu uns, vergeblich ringen wir danach, diese in Zeichen festzubannen, und jenes künstliche Anreihen der Hieroglyphe erhält uns nur die Andeutung dessen, was wir erlauscht. – Mit diesen wenigen Sprüchen stelle ich Dich nunmehr, lieber Johannes, an die Pforten des Isistempels, damit Du fleißig forschen mögest, und Du wirst nun wohl recht lebhaft einsehen, worin ich Dich für fähig halte, wirklich einen musikalischen Kursus zu beginnen. Zeige diesen Lehrbrief denen vor, die, ohne es vielleicht deutlich zu wissen, mit Dir an jenen Pforten stehen, und erläutere ebenfalls denen, die mit der Geschichte vom bösen Fremden und dem Burgfräulein nichts Rechtes anzufangen wissen, die Sache dahin, daß das wunderliche Abenteuer, das so in das Leben des Chrysostomus einwirkte, ein treffendes Bild sei des irdischen Unterganges durch böses Wollen einer feindlichen Macht, dämonischer Mißbrauch der Musik, aber dann Aufschwung zum Höheren, Verklärung in Ton und Gesang!
Und nun, ihr guten Meister und Gesellen, die ihr euch an den Toren der großen Werkstatt versammelt habt, nehmt den Johannes freundlich in eure Mitte auf und verargt es ihm nicht, daß, indem ihr nur lauschen möget, er vielleicht dann und wann an das Tor mit leisen Schlägen zu pochen waget. Nehmt es auch nicht übel, daß, wenn ihr sauber und nett eure Hieroglyphen schreibet, er einige Krakelfüße mit einmischet, im Schönschreiben will er ja eben noch von euch profitieren. –
Gehab’ Dich wohl, lieber Johannes Kreisler! – es ist mir so, als würde ich Dich nicht wiedersehen! – Setze mir, wenn Du mich gar nicht mehr finden solltest, nachdem Du um mich, so wie Hamlet um den seligen Yorik, gehörig lamentiert hast, ein friedliches: Hic jacet, und ein:
Dieses Kreuz dient zugleich zum großen Insiegel meines Lehrbriefes, und so unterschreibe ich mich denn
– Ich wie Du
Johannes Kreisler ,
cidevant Kapellmeister.
[ Δ ]
E.T.A. HOFFMANN
Die
Elixiere
des
Teufels
Nachgelassene Papiere des Bruders Medardus, eines Kapuziners
Herausgegeben von dem Verfasser der Fantasiestücke in Callots Manier
( 1815/16 )
Die Elixiere des Teufels
[ Δ ]
Vorwort des Herausgebers
Erster Teil
Erster Abschnitt: Die Jahre der Kindheit und das Klosterleben
Zweiter Abschnitt: Der Eintritt in die Welt
Dritter Abschnitt: Die Abenteuer der Reise
Vierter Abschnitt: Das Leben am fürstlichen Hofe
Zweiter Teil
Erster Abschnitt: Der Wendepunkt
Zweiter Abschnitt: Die Buße
Dritter Abschnitt: Die Rückkehr in das Kloster
Vorwort des Herausgebers
Gern möchte ich dich, günstiger Leser, unter jene dunkle Platanen führen, wo ich die seltsame Geschichte des Bruders Medardus zum ersten Male las. Du würdest dich mit mir auf dieselbe, in duftige Stauden und bunt glühende Blumen halb versteckte, steinerne Bank setzen; du würdest so wie ich recht sehnsüchtig nach den blauen Bergen schauen, die sich in wunderlichen Gebilden hinter dem sonnichten Tal auftürmen, das am Ende des Laubganges sich vor uns ausbreitet. Aber nun wendest du dich um und erblickest kaum zwanzig Schritte hinter uns ein gotisches Gebäude, dessen Portal reich mit Statüen verziert
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