Werke
selbst für getäuscht, da Reinhold versicherte, er habe dich zu genau gekannt, um selbst bei deiner treuesten Ähnlichkeit mit Viktorin getäuscht zu werden. Euphemiens Verblendung blieb unbegreiflich. Da erschien plötzlich der Reitknecht des Grafen und erzählte, wie der Graf, der seit Monaten im Gebirge einsam gelebt und sich den Bart wachsen lassen, ihm in dem Walde, und zwar bei dem sogenannten Teufelsgrunde, plötzlich als Kapuziner gekleidet erschienen sei. Obgleich er nicht gewußt, wo der Graf die Kleider hergenommen, so sei ihm doch die Verkleidung weiter nicht aufgefallen, da er von dem Anschlage des Grafen, im Schlosse des Barons in Mönchshabit zu erscheinen, denselben ein ganzes Jahr zu tragen und so auch wohl noch höhere Dinge auszuführen, unterrichtet gewesen. Geahnt habe er wohl, wo der Graf zum Kapuzinerrock gekommen sei, da er den Tag vorher gesagt, wie er einen Kapuziner im Dorfe gesehen und von ihm, wandere er durch den Wald, seinen Rock auf diese oder jene Weise zu bekommen hoffe. Gesehen habe er den Kapuziner nicht, wohl aber einen Schrei gehört, bald darauf sei auch im Dorf von einem im Walde ermordeten Kapuziner die Rede gewesen. Zu genau habe er seinen Herrn gekannt, zu viel mit ihm noch auf der Flucht aus dem Schlosse gesprochen, als daß hier eine Verwechselung stattfinden könne. – Diese Aussage des Reitknechts entkräftete Reinholds Meinung, und nur Viktorins gänzliches Verschwinden blieb unbegreiflich. Die Fürstin stellte die Hypothese auf, daß der vorgebliche Herr von Krczynski aus Kwiecziczewo eben der Graf Viktorin gewesen sei, und stützte sich auf seine merkwürdige, ganz auffallende Ähnlichkeit mit Francesko, an dessen Schuld längst niemand zweifelte, sowie auf die Motion, die ihr jedesmal sein Anblick verursacht habe. Viele traten ihr bei und wollten, im Grunde genommen, viel gräflichen Anstand an jenem Abenteurer bemerkt haben, den man lächerlicherweise für einen verkappten Mönch gehalten. Die Erzählung des Försters von dem wahnsinnigen Mönch, der im Walde hausete und zuletzt von ihm aufgenommen wurde, fand nun auch ihren Zusammenhang mit der Untat Viktorins, sobald man nur einige Umstände als wahr voraussetzte. – Ein Bruder des Klosters, in dem Medardus gewesen, hatte den wahnsinnigen Mönch ausdrücklich für den Medardus erkannt, er mußte es also wohl sein. Viktorin hatte ihn in den Abgrund gestürzt; durch irgend einen Zufall, der gar nicht unerhört sein durfte, wurde er errettet. Aus der Betäubung erwacht, aber schwer am Kopfe verwundet, gelang es ihm, aus dem Grabe heraufzukriechen. Der Schmerz der Wunde, Hunger und Durst machten ihn wahnsinnig – rasend! – So lief er durch das Gebirge, vielleicht von einem mitleidigen Bauer hin und wieder gespeiset und mit Lumpen behangen, bis er in die Gegend der Försterwohnung kam. Zwei Dinge bleiben hier aber unerklärbar, nämlich wie Medardus eine solche Strecke aus dem Gebirge laufen konnte, ohne angehalten zu werden, und wie er, selbst in den von Ärzten bezeugten Augenblicken des vollkommensten ruhigsten Bewußtseins, sich zu Untaten bekennen konnte, die er nie begangen. Die, welche die Wahrscheinlichkeit jenes Zusammenhangs der Sache verteidigten, bemerkten, daß man ja von den Schicksalen des aus dem Teufelsgrunde erretteten Medardus gar nichts wisse; es sei ja möglich, daß sein Wahnsinn erst ausgebrochen, als er auf der Pilgerreise in der Gegend der Försterwohnung sich befand. Was aber das Zugeständnis der Verbrechen, deren er beschuldigt, belange, so sei eben daraus abzunehmen, daß er niemals geheilt gewesen, sondern, anscheinend bei Verstande, doch immer wahnsinnig geblieben wäre. Daß er die ihm angeschuldigten Mordtaten wirklich begangen, dieser Gedanke habe sich zur fixen Idee umgestaltet. – Der Kriminalrichter, auf dessen Sagazität man sehr baute, sprach, als man ihn um seine Meinung frug: ›Der vorgebliche Herr von Krczynski war kein Pole und auch kein Graf, der Graf Viktorin gewiß nicht, aber unschuldig auch keinesweges – der Mönch blieb wahnsinnig und unzurechnungsfähig in jedem Fall, deshalb das Kriminalgericht auch nur auf seine Einsperrung als Sicherheitsmaßregel erkennen konnte.‹ – Dieses Urteil durfte der Fürst nicht hören, denn er war es allein, der, tief ergriffen von den Freveln auf dem Schlosse des Barons, jene von dem Kriminalgericht in Vorschlag gebrachte Einsperrung in die Strafe des Schwerts umwandelte. – Wie aber alles in diesem elenden vergänglichen
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