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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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eines Zustandes, der, durch höllische Künste hervorgebracht, mich in zwei Berganzas teilte, die miteinander kämpften.
    Ich . Soviel ich aus deinem frühern Leben, aus den Worten der Cannizares, aus den Umständen des Hexenkongresses abnehmen kann, war es auf nichts anders abgesehen, als dir eine andere Gestalt zu geben. Der Sohn Montiel, für den sie dich nun einmal hielten, sollte vielleicht als ein schmucker Junge erscheinen, und darum salbten sie dich mit jenem bekannten Hexenöl, das solche Verwandlungen hervorzubringen vermag.
    Berganza . Du hast ganz recht geraten, denn indem die Hexen mich streichelten und drückten, sangen sie in hohlen wimmernden Tönen ein Lied, dessen Worte auf meine Verwandlung hindeuteten:
    »Söhnlein! Uhu läßt grüßen,
    Uhu hat Kater gebissen! –
    Söhnlein, hab’ wohl acht,
    Mutter hat was mitgebracht.
    Söhnlein, den Hund laß liegen,
    Hui! – mußt den Junker betrügen,
    Dreh’ dich, Spuk und Graus,
    Söhnlein, fahr nur fix heraus.«
    Und so oft das Lied zu Ende war, schlug die Alte auf der Eule die knöchernen Fäuste klappernd zusammen, und ihr Geheul durchschnitt in wildem Jammer die Lüfte. Meine Qual wuchs mit jedem Augenblick; da krähte im nächsten Dorfe der Hahn; ein roter Schimmer durchflog den Osten, und brausend und sausend fuhr das Gesindel durch die Luft, daß in einem Moment der ganze Spuk zerstoben und verflogen war und ich einsam und entkräftet an der Heerstraße lag.
    Ich . Wahrhaftig, Berganza, die Szene hat mich angegriffen, und daß du in deiner Betäubung die Hexenlieder so gut gemerkt hast, das nimmt mich wunder.
    Berganza . Außerdem daß sie die Hexenverse hundertmal abkreischten, so war es ja eben der starke Eindruck, die Qual der vergeblichen Zauberkünste, die mir alles tief einprägen und so meinem ohnehin nur zu treuen Gedächtnis zu Hilfe kommen mußte. – Das eigentliche Gedächtnis, höher genommen, besteht, glaube ich, auch nur in einer sehr lebendigen, regsamen Phantasie, die jedes Bild der Vergangenheit mit allen individuellen Farben und allen zufälligen Eigenheiten im Moment der Anregung hervorzuzaubern vermag. Wenigstens hörte ich dies von einem meiner gewesenen Herren behaupten, der ein erstaunliches Gedächtnis hatte, unerachtet er selten Namen und Jahrzahlen behielt.
    Ich . Er hatte recht, dein Herr, und also möcht’ es sich auch mit Worten und Reden, die tief ins Gemüt drangen, und die man im innersten, tiefsten Sinn aufnahm, anders verhalten als mit auswendig gelernten Vokabeln. – Doch wie ging es weiter mit dir, Berganza?
    Berganza . Mühsam schleppte ich mich, matt und entkräftet wie ich war, von der Heerstraße in einen nahe gelegenen Busch und schlief ein. Als ich erwachte, stand die Sonne hoch am Himmel, und das Hexenöl schmorte auf meinem borstigen Rücken. Ich stürzte mich in den Bach, der durch das Gebüsch rauschte, um mich von meiner widrigen Salbung rein zu baden, und eilte dann mit verjüngter Kraft rasch davon, da ich nach Sevilla nicht zurückkehren und so vielleicht der verruchten Cannizares noch einmal in die Hände geraten mochte. – Jetzt aber merke auf, denn nun erst kommt, wie die Moral nach der Fabel, dasjenige, was dir zu wissen nötig, um meine Existenz zu begreifen.
    Ich . Das wünsche ich in der Tat zu hören. Denn indem ich dich so anschaue, indem ich so bedenke, daß nun schon seit mehreren hundert Jahren –
    Berganza . Sprich nicht weiter! – Das Vertrauen, das ich zu dir faßte, ist wert, von dir vergolten zu werden, oder bist du auch einer von denen, die es für gar nicht wunderbar halten, daß die Kirschen blühen und nachher zu Früchten reifen, weil sie diese dann essen können, die aber alles für unwahr halten, wovon ihnen bis dato die leibliche Überzeugung abgeht? O Lizentiat Peralta! – Lizentiat Peralta!
    Ich . Ereifre dich nicht, mein lieber Berganza! Man sagt im Sprichwort: das sind Menschlichkeiten; nimm diesen Zweifel, diesen Unglauben an das Unglaubliche, der mir wider Willen aufsteigt, dafür.
    Berganza . Du gibst selbst den Ton zu der besonderen Melodie an, in die ich bald fallen werde! – Wie ich nun von neuem aufgelebt und ermutigt über Wiesen und Felder sprang, wie ich auf die Art, die dir aus meinem früheren Leben schon bekannt ist, bei diesem oder jenem glücklich unterkam, das übergehe ich, um dir gleich zu sagen, daß ich von Jahr zu Jahr jedesmal an dem verhängnisvollen Tage, der mich in den verfluchten Hexenkreis trieb, die Wirkung des vermaledeiten

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