Werke
So hatte auch meine Dame die Torheit, alles was ihr begegnete, höchst sonderbar und ominös zu finden. Selbst ihre Kinder waren unter besondern Umständen und geistigen Beziehungen geboren, und sie gab nicht undeutlich zu verstehen, wie seltsame Kontraste und widrige Elemente sich zu einer besondern Mischung in den Geistern ihrer Kinder vereinigt hätten. Außer Cäcilien hatte sie aber noch drei ältere Söhne, die unbedeutend und stumpf ausgeprägt waren wie gemeine Scheidemünze, und dann ein jüngeres Mädchen, die in allen ihren Äußerungen weder Gemüt noch Verstand zu erkennen gab. Cäcilia war demnach die einzige, die wirklich von der Natur nicht allein mit einem tiefen Sinn für die Kunst, sondern auch mit einem genialen Produktionsvermögen ausgestattet war. Bei einem weniger kindlichen, unbefangenen Gemüte hätte sie aber die Feierlichkeit, mit der die Mutter sie behandelte, und die beständigen Äußerungen, wie in ihr eine Künstlerin geboren sei, wie es noch nie eine gab, leicht überspannen und auf Abwege führen können, von denen wenigstens ein Frauenzimmer nicht so leicht wieder zurückkehrt.
Ich . Wie, Berganza, du glaubst auch an die Unverbesserlichkeit der Weiber?
Berganza . Mit ganzer Seele! – Alle verschrobenen, überbildeten oder geistig erstarrten Weiber gehören, wenigstens nach dem fünfundzwanzigsten Jahr, unerbittlich ins ospitale degli incurabili, es ist mit ihnen nichts mehr zu machen. Die Blütezeit der Frauenzimmer ist zugleich ihr eigentliches Leben, in dem sie sich mit nie erschlaffender Kraft doppelt aufgeregt fühlen, alle seine Erscheinungen begierig im Gemüte aufzufassen. – Wie mit glühendem Purpur umsäumt die Jugend alle Gestalten, daß sie wie verklärt dem freudetrunknen Auge erglänzen, und ein ewig bunter Frühling schmückt selbst die Dornenhecken mit süßduftenden Blumen. Nicht besondere Schönheit, nicht ein ungewöhnlicher Verstand, nein! – nur jene Blütezeit, nur irgend etwas, sei es im Äußern oder im Ton der Stimme oder sonst, das nur eine flüchtige Aufmerksamkeit erregen kann, reicht hin, dem Mädchen überall die Verehrung selbst geistreicher Männer zu verschaffen, so daß sie unter älteren ihres Geschlechts wie im Triumphe als die Königin des Festes auftritt. Aber nach dem unglücklichen Wendepunkte verschwinden die schimmernden Farben, und mit einer gewissen Kälte, die in jedem Genuß das Geistig-Schmackhafte tötet, verliert sich auch jene Regsamkeit des Geistes. Keine Frau wird imstande sein, die Tendenzen zu ändern, welche sie in jener goldnen Zeit hatte, die ihr allein das Leben scheint, und war sie damals in Irrtümern des Verstandes oder des Geschmacks befangen, so nimmt sie dieselben ins Grab, verlangte auch der Ton, die Mode der Zeit, sie mühsam zu verleugnen.
Ich . Es ist gut, Berganza, daß dir nicht Frauenzimmer, die über den Wendepunkt hinaus sind, zuhören, du würdest sonst übles Spiel haben.
Berganza . Glaube das nicht, mein Freund! – Im Grunde fühlen die Frauenzimmer es selbst, wie in jener Blütezeit sich ihr ganzes Leben konzentriert, denn nur daraus läßt sich die ihnen mit Recht vorgeworfene Torheit erklären, ihr Alter zu verleugnen. Über den Wendepunkt hinaus will keine; sie sträuben und sperren sich; sie kämpfen hartnäckig um das kleinste Plätzchen hinter dem Schlagbaume, der, sind sie hindurch, ihnen das Land voll Wonne und Heiterkeit auf immer verschließt. Drängen nun die jugendlichen Gestalten immer mehr und mehr, und jede in die schönsten Blüten des Frühlings geputzt, trägt: »Was will die Ungeschmückte, Traurige unter uns?« dann müssen sie fliehen voller Scham und retten sich in den kleinen Garten, von dem sie wenigstens in den glänzenden Frühling hinüberschauen können, und an dessen Ausgang die Zahl Dreißig steht, vor der sie sich fürchten wie vor dem Engel mit dem flammenden Schwert.
Ich . Das ist sehr pittoresk, aber auch mehr pittoresk, als wahr! Denn habe ich nicht selbst ältere Weiber gekannt, deren Liebenswürdigkeit den Mangel an Jugend ganz vergessen ließ?
Berganza . Das ist nicht allein möglich, sondern ich will dir sogar zugestehen, daß der Fall nicht zu selten eintreffen kann, mein Satz bleibt indessen doch unwiderruflich fest stehen. – Eine verständige Frau, die in früher Jugend gut erzogen, frei von Irrtümern, aus der Blütezeit eine wohltuende Ausbildung des Geistes hinübergebracht hat, wird dir allemal eine angenehme Unterhaltung gewähren, sobald du
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