Werke
hineinspazieren, denn da müßte man durch, um in den Saal zu kommen? Aber alles dieses sind Kleinigkeiten gegen den gräßlichen Traum, der mich gestern Nacht geängstiget und gefoltert hat. Ach! – ich war ein Bogen Kavalierpapier, ich saß recht in der Mitte als Wasserzeichen, und jemand – es war ja eigentlich ein weltbekannter Satan von Dichter, aber mag’s bei jemand bleiben – dieser jemand hatte also eine unmenschlich lange, übel – zweispaltig – zahnichtgeschnittene Truthahnsfeder und kratzte auf mir Armen herum, indem er diabolische holperichte Verse niederschrieb. Hat nicht ein anderer anatomischer Satan mich einmal zu seiner Lust wie eine Gliederpuppe auseinandergenommen und nun allerlei teuflische Versuche angestellt? – Z.B. wie es wohl aussehen würde, wenn mir aus dem Nacken ein Fuß wüchse oder der rechte Arm sich zum linken Bein gesellte?« – Der Baron und Ottmar unterbrachen den Maler durch ein schallendes Gelächter, die ernste Stimmung war verschwunden, und der Baron fing an: »Sag’ ich es denn nicht, daß in unserm kleinen Familienzirkel der alte Franz der wahrhafte Maitre de Plaisir ist? – Wie pathetisch fing er nicht seine Diskussion über unser Thema an, und um so herrlicher war die Wirkung des humoristischen Scherzes, den er zuletzt ganz unerwartet losbrannte und der wie mit einer gewaltsamen Explosion unsern feierlichen Ernst zerstörte; mit einem Ruck waren wir aus der Geisterwelt heraus in das wirkliche, lebendige, frohe Leben.« »Glaubt ja nicht,« erwiderte Bickert, »daß ich als euer Pagliasso Spaß gemacht habe, um euch aufzuheitern. Nein! jene abscheulichen Träume haben mich wirklich gequält, und es mag sein, daß ich sie mir unbewußt auch selbst bereitet habe.« »Unser Franz«, fiel Ottmar ein, »hat rücksichts seiner Theorie des Entstehens der Träume manche Erfahrung für sich, indessen war sein Vortrag, was den Zusammenhang und die Folgerungen aus hypothetischen Prinzipien betrifft, eben nicht zu rühmen. Überdem gibt es eine höhere Art des Träumens, und nur diese hat der Mensch in dem gewissen beseelenden und beseligenden Schlafe, der ihm vergönnt, die Strahlen des Weltgeistes, dem er sich näher geschwungen, in sich zu ziehen, die ihn mit göttlicher Kraft nähren und stärken.« »Gebt acht,« sagte der Baron, »Ottmar wird gleich wieder auf seinem Steckenpferde sitzen, um einen Ritt in das unbekannte Reich zu machen, welches wir Ungläubigen, wie er behauptet, nur von ferne, wie Moses das gelobte Land, erblicken können. Aber wir wollen es ihm schwer machen, uns zu verlassen – es ist eine recht unfreundliche Herbstnacht, wie wäre es, wenn wir noch ein Stündchen zusammenblieben, wenn wir Feuer in den Kamin legen ließen und Maria uns nach ihrer Art einen köstlichen Punsch bereitete, den wir vorderhand wenigstens als den Geist annehmen könnten, der unsre muntere Laune nährte und stärkte.« – Bickert schaute wie mit verklärtem Blick zum Himmel hinauf, stark seufzend, und neigte sich dann schnell in demütig bittender Stellung zu Marien herab. Maria, die so lange ziemlich stumm und in sich gekehrt dagesessen, lachte, wie sie selten zu tun pflegte, recht herzlich über des alten Malers possierliche Stellung und stand dann schnell auf, um alles nach des Barons Wünschen sorglich zu veranstalten. Bickert trippelte geschäftig hin und her, er half Kasparn das Holz herbeitragen, und indem er, auf einem Knie ruhend, in seitwärts gedrehter Stellung die Flamme anblies, rief er Ottmarn unaufhörlich zu, sich doch als sein gelehriger Schüler zu zeigen und schnell ihn als gute Studie zu zeichnen mit genauer Beachtung des Feuereffekts und der schönen Reflexe, in denen jetzt sein Gesicht erglühe. Der alte Baron wurde immer heiterer und ließ sich sogar, welches nur in den gemütlichsten Stunden geschah, sein langes türkisches Rohr, dem ein seltener Bernstein zum Mundstück diente, reichen. – Als nun der feine, flüchtige Duft des türkischen Tabaks durch den Saal zog, und Maria auf den Zucker, den sie selbst in Stücke zerschlagen, den Zitronensaft in den silbernen Punschnapf tröpfelte, war es allen, als ginge ihnen ein freundlicher heimatlicher Geist auf, und das innere Wohlbehagen, das er erzeuge, müsse den Genuß des Augenblicks so anregen und beleben, daß alles Vorher und Nachher farblos und unbeachtet bliebe. – »Wie ist es doch so eigen,« fing der Baron an, »daß Marien die Bereitung des Punsches immer so wohl gerät, ich mag ihn kaum
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