Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
das und das verlange ich; dann würde ich seine Forderung erfüllen. Aber auf diese Art nimmt die Sache eine recht unangenehme Wendung! Ach, wenn es nur recht bald Tag würde und ich mich recht bald ans Werk machen könnte! Jetzt weiß ich, was ich zu tun habe. Ich werde sagen: ,So und so; auf Erörterungen bin ich bereit einzugehen; meine Ehre werde ich nicht verkaufen' usw. Übrigens wie hat er, diese gewisse Person, dieser unangenehme Mensch, es angefangen, sich hier einzumischen? Und wozu hat er sich eigentlich hier eingemischt? Ach, wenn es doch recht schnell Tag würde! Bis dahin bringen sie mich in üblen Ruf, intrigieren gegen mich und arbeiten auf meinen Schaden hin! Die Hauptsache ist: ich darf keine Zeit verlieren, sondern muß z. B. jetzt wenigstens einen Brief schreiben, in dem ich diese und jene Punkte mit Stillschweigen übergehe und mich mit diesen und jenen einverstanden erkläre. Und morgen, sowie es hell wird, muß ich ihn absenden, und ich selbst muß so früh wie möglich ... hm... und ihnen von der andern Seite entgegenarbeiten und diesen allerliebsten Leuten zuvorkommen ... Sie bringen mich in schlechten Ruf; das steht fest!«
Herr Goljadkin legte sich einen Bogen Papier zurecht, ergriff die Feder und schrieb folgenden Brief als Antwort auf den Brief des Gouvernementssekretärs Wachramejew:
»Geehrter Herr,
Nestor Ignatjewitsch!
»Mit Erstaunen und betrübtem Herzen habe ich Ihren für mich so beleidigenden Brief gelesen; denn ich erkenne deutlich, daß Sie mich meinen, wenn Sie von einigen unwürdigen Personen reden und von manchen, die eine wohlwollende Gesinnung erheucheln. Mit aufrichtigem Schmerze sehe ich, wie schnell, wie erfolgreich und wie tief die Verleumdung Wurzel geschlagen hat, zum Schaden meiner Wohlfahrt, meiner Ehre und meines guten Namens. Und besonders kränkend und verletzend ist es für mich, daß sogar ehrenhafte Leute, Leute mit einer wahrhaft anständigen Denkweise und, was die Hauptsache ist, mit geradem, offenem Charakter, sich von der Partei der wohlanständigen Leute lossagen und mit den besten Eigenschaften ihres Herzens sich jener verderblichen Fäulnis hingeben, die leider in unserer argen, sittenlosen Zeit so stark wuchert und sich so heimtückisch ausbreitet. Zum Schlusse erkläre ich, daß ich es für meine heilige Pflicht erachte, meine von Ihnen bezeichnete Schuld, nämlich zwei Rubel, Ihnen in ihrem vollen Betrage zurückzuerstatten.
»Was Ihre Andeutungen in betreff einer gewissen Person weiblichen Geschlechtes und in betreff der Absichten, Spekulationen und mannigfaltigen Pläne dieser Person anbelangt, geehrter Herr, so sage ich Ihnen, daß ich all diese Andeutungen nur unvollkommen und mangelhaft verstanden habe. Gestatten Sie mir, geehrter Herr, meine anständige Denkweise und meinen ehrlichen Namen unbefleckt zu erhalten. In jedem Falle bin ich bereit, auf persönliche Erörterungen einzugehen, da ich das mündliche Verfahren dem brieflichen als zuverlässiger vorziehe, und überdies bin ich zu einer friedlichen, selbstverständlich gegenseitigen Einigung bereit. Zu diesem Ende ersuche ich Sie, geehrter Herr, dieser Person von meiner Bereitwilligkeit zu einer persönlichen Verständigung Mitteilung zu machen und sie außerdem um Bestimmung von Zeit und Ort für eine Zusammenkunft zu bitten. Es war mir schmerzlich, geehrter Herr, Ihre Anspielungen darauf zu lesen, daß ich Sie gekränkt, unsere ursprüngliche Freundschaft verraten und mich in schlechtem Sinne über Sie ausgesprochen hätte. Ich schreibe all dies einem Mißverständnisse zu, abscheulicher Verleumdung, dem Neide und Übelwollen derjenigen, die ich mit Recht meine erbittertsten Feinde nennen kann. Aber sie wissen wahrscheinlich nicht, daß die Unschuld schon durch ihre Unschuld stark ist, daß die Schamlosigkeit, die Frechheit und die empörende Familiarität mancher Personen früher oder später sich das Brandmal allgemeiner Verachtung zuziehen werden, und daß diese Personen an der Nichtswürdigkeit und Verderbtheit ihres eigenen Herzens zugrunde gehen müssen. Zum Schlusse bitte ich Sie noch, geehrter Herr, diesen Personen mitzuteilen, daß ihre seltsame Anmaßung und ihr unedles, phantastisches Verlangen, andere aus den Stellungen zu verdrängen, die diese andern durch ihr Dasein in dieser Welt einnehmen, und sich deren Platz anzueignen, nur geeignet sind, Erstaunen, Verachtung und Bedauern zu erwecken und sie selbst ins Irrenhaus zu bringen, und daß überdies solche
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