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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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Vornehmheit des Charakters bekundete, eine Vornehmheit, die man gewöhnlich durch die Erziehung erhält, und deren der widerwärtige Herr Goljadkin der zweite sich bei jeder geeigneten Gelegenheit zu rühmen pflegte. Ganz vernichtet und vor Scham und Verzweiflung von sich selbst nicht wissend, stürzte der durchaus wahre Herr Goljadkin blindlings davon, wohin der Wille des Schicksals ihn führte; aber bei jedem Schritte, den er tat, bei jedem Aufschlagen seines Fußes auf den Granit des Trottoirs sprang aus der Erde ein Herr Goljadkin heraus, der jenem verworfenen, widerwärtigen Menschen vollkommen ähnlich war. Und alle diese vollkommen ähnlichen Gestalten begannen sofort nach ihrem Erscheinen einer hinter dem andern her zu laufen und wackelten in langer Kette wie eine Reihe von Gänsen hinter Herrn Goljadkin dem älteren her, so daß dieser ihnen nirgendhin entfliehen konnte und dem in jeder Hinsicht bedauernswerten Herrn Goljadkin vor Angst der Atem stockte und zuletzt eine furchtbare Menge solcher vollkommenen Ebenbilder entstanden war und die ganze Residenz zuletzt von ihnen wimmelte und ein Polizist angesichts einer solchen Störung der Ordnung sich genötigt sah, sie alle beim Kragen zu nehmen und in sein zufällig in der Nähe befindliches Schilderhaus zu sperren ... Starr und eiskalt vor Angst erwachte unser Held und hatte die Empfindung, daß er auch im Wachen die Zeit kaum heiterer verbringen werde ... Er fühlte sich bedrückt und gequält ... Es befiel ihn eine Traurigkeit, als ob ihm jemand das Herz in der Brust mit den Zähnen zerfleischte ...
    Schließlich konnte Herr Goljadkin es nicht länger ertragen. »Das darf nicht sein!« rief er aus, richtete sich entschlossen im Bette auf und wurde nun nach diesem Ausrufe völlig wach.
    Es war anscheinend schon lange Tag geworden. Im Zimmer war es auffällig hell; die Sonnenstrahlen drangen kräftig durch die vom Froste mit Reif überzogenen Fensterscheiben und breiteten sich in Fülle im Zimmer aus, was Herrn Goljadkin in nicht geringe Verwunderung versetzte; denn die Sonne pflegte nur um Mittag zu ihm hereinzublicken, und früher waren solche Ausnahmen im Laufe des himmlischen Gestirnes, soviel sich wenigstens Herr Goljadkin selbst erinnern konnte, niemals vorgekommen. Kaum war unser Held sich dessen mit Verwunderung bewußt geworden, als hinter der Scheidewand die Wanduhr zu summen anfing und sich auf diese Weise zum Schlagen fertig machte. »Nun also!« dachte Herr Goljadkin und schickte sich in ängstlicher Erwartung an zu hören ... Aber zu seinem größten Erstaunen tat die Uhr nach ihrer großen Anstrengung nur einen einzigen Schlag. »Was stellt das vor?« rief unser Held und sprang völlig aus dem Bette. Seinen Ohren nicht trauend, lief er so, wie er war, hinter die Scheidewand. Die Uhr zeigte tatsächlich eins. Herr Goljadkin warf einen Blick nach Petruschkas Bett; aber im Zimmer war von Petruschka nicht die Spur zu sehen: sein Bett war anscheinend schon längst verlassen und in Ordnung gebracht; auch seine Stiefel waren nirgends vorhanden, ein unzweifelhaftes Anzeichen dafür, daß Petruschka wirklich nicht zu Hause war. Herr Goljadkin stürzte zur Tür hin: die Tür war verschlossen. »Aber wo mag nur Petruschka sein?« fuhr er flüsternd fort; er befand sich in furchtbarer Aufregung und fühlte ein starkes Zittern in allen Gliedern ... Auf einmal fuhr ihm ein Gedanke durch den Kopf ... Herr Goljadkin lief zu seinem Tische, überblickte ihn, suchte rings umher – richtig: sein gestriger Brief an Wachramejew war nicht da ... Petruschka war ebenfalls nicht hinter der Scheidewand; die Wanduhr zeigte eins, und in Wachramejews gestrigem Briefe waren einige neue Punkte angeführt gewesen, die zwar auf den ersten Blick sehr unklar erschienen waren, aber jetzt ihre vollständige Aufklärung gefunden hatten. Also auch Petruschka, auch Petruschka war augenscheinlich erkauft! Ja, ja, so war es!
    »Also so haben sie den wichtigsten Knoten geschürzt!« rief Herr Goljadkin, indem er sich vor die Stirn schlug und die Augen immer weiter öffnete; »also im Hause dieses greulichen deutschen Frauenzimmers laufen jetzt alle Fäden dieses höllischen Komplotts zusammen! Also hat sie nur eine strategische Diversion gemacht, indem sie mich nach der Ismailowski-Brücke hinwies; sie hat mir Sand in die Augen gestreut, mich wirr gemacht, die nichtswürdige Hexe, und auf diese Art ihre unterirdischen Minen gelegt!!! Ja, so ist es! Wenn man die Sache von dieser Seite

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