Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
Ihrer oft gedenken und Sie in meinem Gebet nicht vergessen. So ist denn jetzt auch diese Zeit vorüber! Es sind wenig frohe Erinnerungen, die ich aus der Vergangenheit ins neue Leben mitnehme, um so wertvoller und lieber wird mir daher Ihr Andenken, um so teurer werden Sie selbst meinem Herzen sein. Sie sind mein einziger Freund, nur Sie allein haben mich hier geliebt. Ich bin doch nicht blind gewesen, ich habe es doch gesehen und gewußt, wie Sie mich liebten! Mein Lächeln genügte, um Sie glücklich zu machen, eine Zeile von mir söhnte Sie mit allem aus. Jetzt müssen Sie sich daran gewöhnen, ohne michauszukommen. Wie werden Sie nur so allein hier weiterleben? Wer wird hier bei Ihnen sein, mein guter, unschätzbarer, einziger Freund!
Ich überlasse Ihnen das Buch, den Stickrahmen, den angefangenen Brief. Wenn Sie diese angefangenen Zeilen sehen, so lesen Sie in Gedanken weiter: lesen Sie in Gedanken weiter, lesen Sie alles, was Sie von mir gern gehört oder gelesen hätten, alles, was ich Ihnen hätte schreiben können – was aber würde ich Ihnen jetzt nicht alles schreiben! Vergessen Sie nicht Ihre arme Warinka, die Sie aufrichtig und von ganzem Herzen geliebt hat. Ihre Briefe sind alle bei Fedora in der Kommode geblieben, in der obersten Schublade.
Sie schreiben, daß Sie krank seien. Ich würde Sie besuchen, aber Herr Bükoff läßt mich heute nicht fort. Ich werde Ihnen schreiben, mein Freund, das verspreche ich Ihnen, aber nur Gott allein weiß, was alles geschehen kann. Deshalb lassen Sie uns jetzt für immer Abschied voneinander nehmen, mein Freund, mein Täubchen, wie Sie mich nennen, mein Liebster! Auf immer!… Ach, wie ich Sie jetzt umarmen würde, Sie! Leben Sie wohl, mein Freund, leben Sie recht, recht, recht wohl! Seien Sie glücklich! Bleiben Sie gesund. Nie werde ich vergessen, für Sie zu beten. O! wenn Sie wüßten, wie schwer mir zumut ist, wie qualvoll bedrückt meine Seele ist!
Herr Bükoff ruft mich.
Ihre Sie ewig liebende
W.
P. S. Meine Seele ist so voll, so voll von Tränen … Sie drohen, mich zu ersticken, zu zerreißen!Leben Sie wohl, Makar Alexejewitsch! Gott! wie ist es traurig!
Vergessen Sie mich nicht, vergessen Sie nicht Ihre arme Warinka.
W.
Kind, Warinka, mein Täubchen, mein Liebling! Man bringt Sie fort, Sie fahren. Ja, jetzt wäre es doch besser, man risse mir das Herz aus der Brust, als daß man Sie so von mir fortbringt! Wie ist denn das nur möglich! Wie können Sie nur? Sie weinen, und doch fahren Sie?! Da habe ich soeben Ihren Brief erhalten, der stellenweise noch feucht ist von Tränen. So wollen Sie im Herzen vielleicht gar nicht fortfahren? Vielleicht will man Sie mit Gewalt fortbringen? Es tut Ihnen leid um mich? Ja, aber – dann lieben Sie mich doch! Wie ist denn das? Was soll jetzt geschehen? Ihr Herzchen wird es dort nicht aushalten, es ist dort öde, häßlich und kalt. Die Sehnsucht wird Ihr Herzchen krank machen, die Trauer wird es zerreißen. Sie werden dort sterben, man wird Sie dort in die feuchte Erde betten, und es wird dort niemand sein, der Sie beweint! Herr Bükoff wird immer Hasen jagen … Ach, Kind, Kind, zu was haben Sie sich da entschlossen? Wie konnten Sie denn nur so etwas tun? Was haben Sie getan, was haben Sie getan, was haben Sie sich selbst angetan! Man wird Sie doch dort ins Grab bringen, man wird Sie dort einfach umbringen, mein Engelchen! Sie sind doch ein Kind, wie ein Federchen, so zart und schwach! Und wo war ich denn eigentlich? Habe ich Dummkopf denn hier mitoffenen Augen geschlafen! Sah ich denn nicht, daß ein Kindskopf sich etwas Unmögliches vornahm, wußte ich denn nicht, daß dem Kinde einfach nur das Köpfchen versagte! Da hätte ich doch ganz einfach – aber nein! Ich stehe da wie ein richtiger Tölpel, denke weder, noch sehe ich etwas, als sei das gerade das Richtige, als ginge die ganze Sache mich gar nichts an, und laufe sogar noch nach Falbeln!… Nein, Warinka, ich werde aufstehen, bis morgen werde ich vielleicht schon soweit sein, dann stehe ich einfach auf! Und dann, dann werde ich mich einfach unter die Räder werfen. Ich lasse Sie nicht fortfahren! Ja was, was ist denn das eigentlich, wie geht denn das zu? Mit welchem Recht geschieht das denn alles? Ich werde mit Ihnen fahren! Ich werde Ihrem Wagen nachlaufen, wenn Sie mich nicht in den Wagen aufnehmen, und ich werde laufen, solange ich noch kann, bis mir der Atem ausgeht, bis ich meinen Geist aufgebe!
Wissen Sie denn überhaupt, was dort ist, was
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