Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
Vom Netzwerk:
Eure Ann-Margret in Obacht!«
    »Wird sich schon von selber wehren, Pfeffers«, meinte der Wirt.
    Aber der Krämer hatte noch mehr zu fragen. »Hm, Inspekter!« sagte er, »Ihr bekommt ja allerlei Neues in Eueren Wald; Euere Herren müssen auf einmal ganz umgängliche Leute geworden sein! Habt Ihr denn wirklich den alten ›Narrenkasten‹ an einen Fremden, an einen ganz landfremden Mann vermietet?«
    »Diesmal trefft Ihr ins Schwarze, Pfeffers«, sagte der Alte, indem er einen ungeheueren, roh gearbeiteten Schlüssel aus der Seitentasche seiner Joppe hervorzog; »ein paar Wagen mit Ingut sind schon gestern aus- und eingepackt worden; hab des Teufels Arbeit damit gehabt und muß auch jetzt wieder hin, um Fenster aufzusperren und nach dem Rechten zu sehen; meinen Phylax hab ich gestern abend hinter die hohe Hofmauer gesperrt, damit doch eine vernünftige Kreaturenseele bei all den Siebensachen über Nacht bliebe.«
    »Und woher ist dieser Mietsmann denn gekommen?« fragte der Krämer wieder.
    »Weiß nicht, Pfeffers; kümmert mich auch nicht«, erwiderte der Alte; »kann’s selbst nicht kleinkriegen. Aber der Herr soll ein Botanikus sein; dergleichen Schlages liebt ja auch alles, was wild zusammenwächst.«
    Der Wirt, der inzwischen seine mit Kreide auf die Tischplatte geschriebene Abrechnung mit dem Krämer noch einmal revidiert hatte, beugte sich jetzt vor und sagte, seine Stimme zu vertrautem Flüstern dämpfend, obgleich niemand außer den dreien im Zimmer war: »Wißt Ihr noch, vor Jahren, als in den Blättern soviel von der großen Studentenverschwörung geschrieben wurde, als sie die Könige all vom Leben bringen wollten – da soll er mit dabeigewesen sein!«
    Der Krämer ließ einen langgezogenen Pfiff ertönen. »Da liegt’s, Inspekter!« sagte er. »Ich weiß, Ihr hört’s nicht gern; aber die Junker, wenn sie jung sind, haben schon mitunter solche Mucken; Euer Junker Wolf ist ja derzumalen auch bei dem Wartburgstanze mit gewesen.«
    Der Alte sagte nichts darauf; aber der Wirt wußte noch Weiteres zu erzählen, als wenn seine klugen Elstern ihm’s von allen Seiten zugetragen hätten. – Hier aus der Gegend sollte der Fremde sein; aber drüben bei den Preußen hatte man ihn jahrelang in einem dunkeln Kerkerloch gehalten; weder die Sonne noch die Sterne der Nacht hatte er dort gesehen; nur der qualmige Schein einer Tranlampe war ihm vergönnt gewesen; dabei hatte er ohne Kunde, ob Morgen oder Mitternacht, tagaus, tagein gesessen und viele dicke Bücher durchstudiert.
    »Aber Kasper-Ohm«, sagte der Krämer und hielt dem Wirte seine offene Tabaksdose hin, »Ihr seid doch nicht etwa wieder in einen Grenzprozeß verzwirnet?«
    »Ich? Wie meint Ihr das, Pfeffers?«
    »Nun, ich dachte, Ihr wärt wieder einmal in der Stadt bei dem Winkeladvokaten, dem Aktuariatsschreiber, gewesen, bei dem man für die Kosten die Lügen scheffelweis draufzubekommt.«
    Kasper-Ohm nahm die dargebotene Prise. »Ja, ja, Pfeffers«, sagte er, einen Blick durchs Fenster werfend, »wenn sie einen nicht in Frieden leben lassen! Hört einmal, wie die armen Heisters schreien!«
    »Freilich, Kasper-Ohm. Aber wie ging’s denn weiter mit dem Herrn Botanikus?«
    »Mit dem? – Nun, glaubt es oder nicht! Eines Tages ist er plötzlich zu Hause angekommen; aber es ist für ihn doch immer noch zu früh gewesen; denn als er mit seinen blinden Augen über die Straße stolpert, wird er von einer Karriole zu Boden gefahren, die eben lustig über das Pflaster rasselt.«
    »Das verdammte Gejage!« rief der Krämer.
    »Ja, ja, Pfeffers; Ihr kennt das nicht, Ihr seid ein lediger Mensch; aber der Herr und die feine Dame, die darin saßen, konnten nicht zwischen die Pferdeohren hindurchsehen: sie hatten zuviel an ihren eigenen Augen zu beobachten.«
    »Und hatte er Schaden genommen, der arme Herr?«
    »Nein, Pfeffers, nein, das nicht! Aber es ist seine eigene Frau gewesen, die Dame, die mit dem Baron in der Karriole saß.«
    Der Krämer ließ wieder seinen langen Pfiff ertönen. »Das ist ’ne Sache; so ist er verheiratet gewesen, als die Preußen ihn gefangen haben! Nun, die Frau wird er wohl nicht mit sich bringen!«
    »Sollte man nicht glauben«, meinte Kasper-Ohm; »denn er soll sich’s noch einen meilenlangen Prozeß haben kosten lassen, um nur den Kopf aus diesem Eheknoten freizukriegen.«
    »Und der Baron, was ist mit dem geworden?«
    »Den Baron, Pfeffers? Den hat er totgeschossen, und dann ist er in die weite Welt gegangen, um sich all den

Weitere Kostenlose Bücher