Jerry Cotton - 2925 - Einmal zu viel getrickst
Das Telefonklingeln riss mich aus dem Tiefschlaf, doch damit muss ein FBI-Agent immer rechnen. Ich griff zum Apparat und warf einen Seitenblick auf die Digitalanzeige des Weckers. Er zeigte 4.17 Uhr morgens an.
»Cotton.«
»Hier spricht Agent Duvall. Das heißt, noch bin ich beim FBI beschäftigt, Jerry. Könnte aber sein, dass June und ich uns morgen einen neuen Job suchen müssen.«
Ich erkannte die Stimme meines afroamerikanischen Kollegen Blair Duvall natürlich sofort. Und ich konnte am Tonfall hören, dass er eine miserable Laune hatte. Doch den Sinn seiner Worte begriff ich trotzdem noch nicht.
»Wie meinst du das? Ist irgendetwas bei der Beschattung von Preston schiefgelaufen?«
Blair am anderen Ende lachte rau, als ob ich einen Witz gemacht hätte.
»Schiefgelaufen? Das ist wohl die Untertreibung des Jahres, Jerry! Preston ist tot, und – ach, am besten kommen du und Phil sofort in die Elizabeth Street. Mister High will, dass ihr den Fall übernehmt. Ich kann verstehen, dass der Chef June und mir jetzt nichts mehr zutraut.«
Blair beendete das Gespräch, ohne sich zu verabschieden. Ich rief schnell Phil an, damit ich ihn gleich an unserer gewohnten Ecke aufsammeln konnte. Während ich mich in Windeseile duschte und anzog, sortierte ich innerlich die Informationen, die ich soeben von meinem Kollegen bekommen hatte.
Natürlich würde der Assistant Director Blair Duvall und seine Partnerin June Clark nicht entlassen. Jedenfalls konnte ich mir nicht vorstellen, dass meine beiden Kollegen einen so gravierenden Fehler begangen hatten.
Der Chef hatte sie zuletzt damit betraut, den zwielichtigen Investmentberater Greg Preston zu beschatten. Preston verfügte über verschiedene Briefkastenfirmen, die er in unterschiedlichen US-Bundesstaaten gegründet hatte. Mit Hilfe dieser Unternehmen zog er vertrauensseligen Anlegern ihre sauer verdienten Dollars aus der Tasche. Und weil sich seine Machenschaften über verschiedene Staaten erstreckten, war er ins Visier des FBI geraten.
Doch Preston war ein ausgekochter Schurke. Bisher hatten wir ihm keine kriminelle Handlung nachweisen können. Jede Finanzinvestition ist schließlich mit einem gewissen Risiko verbunden. Also mussten wir uns darauf beschränken, den Verdächtigen im Auge zu behalten und sein raffiniertes Firmengeflecht zu entwirren.
Ich holte meinen Jaguar-E-Hybriden aus der Tiefgarage und fuhr zur üblichen Ecke, wo Phil soeben anmarschiert kam. Er warf sich grüßend auf den Beifahrersitz meines roten Flitzers.
»Guten Morgen, Jerry. Ich mag es gar nicht, mich ohne einen Morgenkaffee in die Arbeit stürzen zu müssen. Aber danach fragen die Kriminellen ja leider nicht. Was ist denn überhaupt passiert?«
Ich teilte meinem Freund die wenigen Informationen mit, die ich von Blair bekommen hatte. Mehr wusste ich ja auch noch nicht. Phil seufzte, während er den Sicherheitsgurt anlegte.
»Greg Preston wurde ermordet? Die Welt wird nicht um ihn trauern, und mir fallen auf Anhieb Hunderte von Verdächtigen ein.«
»Ja, es gibt unzählige Kleinanleger, die wegen seiner Machenschaften bankrottgegangen sind. Doch wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen. Lass uns abwarten, bis wir am Tatort sind und die Fakten sichten können.«
»Wo du recht hast, hast du recht, Jerry. Aber einen Kaffee hätte ich trotzdem gern.«
Blair Duvall hatte mir am Telefon nicht den genauen Leichenfundort in der Elizabeth Street genannt. Doch ich erblickte die rotierenden Rotlichter der Streifenwagen schon von weitem. Die Cops hatten bereits mit ihrem gelben Trassierband abgesperrt. Offenbar war Preston in seinem Auto ermordet worden, jedenfalls stand der Wagen an einer Ampel. Das Auto war von Spurensicherungsexperten der Scientific Research Division umringt. Uniformierte Cops leiteten den fließenden Verkehr in die Parallelstraßen um.
Trotz der frühen Stunde hatte sich auch schon die Presse eingefunden. Aber ihre Vertreter wurden von den NYPD-Beamten daran gehindert, sich dem Ort des Geschehens allzu sehr zu nähern.
Die Anschuldigungen gegen Greg Preston waren in New York City allgemein bekannt. Der gewaltsame Tod des Investmentberaters musste ein gefundenes Fressen für die Zeitungen sowie die Radio- und TV-Stationen sein.
Phil und ich hatten bereits unsere FBI-Marken an unseren Mänteln befestigt. Ich parkte hinter dem grauen Van des Coroners. Ein junger Latino-Cop erkannte mich, nickte uns freundlich zu und hob das Absperrband. Außer den SRD-Experten und
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