Werke
ich ein eigensüchtiger Mensch; ich kann nicht anders, ich muß dich halten, unauflöslich fest, auch wenn du gehen wolltest! Ich ertrag’s nicht länger, daß du frei bist. – Das ist Selbsterhaltung, Franzi, ich kann nicht leben ohne dich.«
Immer inniger ruhten seine Augen auf ihr, immer mehr hatte er sie an sich gezogen.
Bebend hing sie in seinen Armen. »Wann«, sagte sie, »wann denkst du, daß es sein sollte?«
»Macht’s dich beklommen, Franzi?« – Er legte seine Hand auf ihre dicke seidene Flechte und drückte ihren Kopf zurück, daß er ihr Antlitz sehen konnte. »Ich hab dich überrascht, besinne dich! – Wir brauchen keine Hochzeitsmusik; in dieser Stille, wo du mein geworden bist, mag auch die Außenwelt ihr Recht bekommen. Die alte gute Wieb, ihr Freund, der Inspektor; wir brauchen keine andern Zeugen! Und übermorgen reise ich zu deinem Vormund, zu unserem Freund, dem Bürgermeister; die paar Tage noch bist du Strohwitwe; dann, Franzi, dann verlassen wir uns nicht mehr.« Er schwieg.
Sie öffnete die Lippen; aber es war, als wenn die Worte nicht hinüber wollten. »Und wann«, sagte sie endlich, »wirst du wiederkommen?«
»Am Sonnabend reise ich; am Dienstag bin ich wieder da. Dann hoff ich alles mitzubringen: die nötigen Scheine, die Lizenz, das Hochzeitskleid. – – Ja, Franzi, die Tage deiner Freiheit sind gezählt! Du wirst mir doch indes nicht etwa fortgeflogen sein?«
Mit dem glücklichsten Lächeln blickte er sie an. »Und nun geh, mein geliebtes Weib! Ich hab noch mancherlei für uns zu ordnen.«
Die letzte Nacht vor der Abreise war gekommen. – Die drei Bewohner des Waldwinkels befanden sich in ihren Schlafgemächern; Leo, der treue Wächter, lag, wie stets um diese Zeit, unten im Flur quer vor der Haustür hingestreckt.
Im Hause war alles still, wenn nicht mitunter ein Husten der alten Frau Wieb aus deren Gardinenbett hervorbebte oder droben im Wohnzimmer der Uhrenkuckuck von Stunde zu Stunde die Stationen der Nacht in die schweigenden Räume hinausrief. – Draußen aber wühlte der Wind in den Bäumen; die Wetterfahnen kreischten auf dem Dache, und allerlei Stimmen schwebten, wenn der Sturm zu neuem Zuge den Atem anhielt, aus dem Walde herüber.
– – Horch! Klang da nicht ein Fenster? Das einzige an der Westseite des Hauses, wo die Eichenzweige die Mauer fast berühren?
Nein, nur in den Lüften brauste es stärker; es schien sich weiter nichts zu rühren; die alte Frau Wieb hustete; oben rief der Kuckuck: eins! – Die Nacht rückte weiter; nichts, was nicht sonst auch da war, ließ sich hören. Die wenigen Sterne, die durch die vorüberjagenden Wolken blinkten, erblichen nach und nach.
– – In der ersten Dämmerung stand Franziska vor Richards Bette. Er schlief noch; sie kniete nieder und küßte seine Hand, die über den Rand des Bettes herabhing; und als er die Augen aufschlug, sagte sie: »Du mußt aufstehen, Richard; der Wagen wird bald da sein!«
»Franzi!« rief er, die Augen zu ihr aufschlagend, und nach einer Weile, da der Nebel des Schlafs von seiner Stirn gewichen war, setzte er hinzu: »Hast du den Eulenschrei gehört, heut nacht? Auf der Uhr drinnen rief es just zu eins.«
Sie zuckte leise in den Schultern. »Das hören wir ja jede Nacht«, sagte sie leise.
»Nein, nein, Franzi; es war nicht der Waldkauz, den wir hierherum haben; es klang ganz anders, seltsam! Ich zweifelte zuerst, ob’s auch nur einer seiner Vettern sei; drunten vom Flur herauf hörte ich, wie Leo sich aufrichtete und einige Male hin und wider ging.«
»Ich hab es nicht bemerkt«, sagte sie leise.
»Dann hast du fest geschlafen, Franzi; denn das Tier muß in einem der nächsten Bäume hier gesessen haben.«
Sie saßen noch beim Frühstück miteinander, aber Franzi brachte kaum ein Krümchen über ihre Lippen. Dann stieg er in den Wagen. »Vergiß es nicht; drei Tage!« rief er ihr noch zurück, und fort rollte das Gefährte über die Heide; mit lautem Bellen sprang der Hund voraus.
Lange stand sie und blickte mit unbeweglichen Augen hinterher, bis nur noch die dunkle Linie des Steppenzuges sich am Horizonte abhob.
Am Nachmittag trat Richard zu seinem Freunde, dem Bürgermeister, in das Zimmer.
»Nun, Waldmensch!« rief dieser, ihm drohend die kleine runde Hand entgegenschüttelnd, »was treibst du denn für Streiche?«
»Du hast also meinen Brief erhalten?«
»Freilich! Wie du einen alterieren kannst! Es sind natürlich lauter Scherze!«
»Ich bin in vollem
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