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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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einladen‹, sagte sie zu meiner Schwester; ›ich darf noch viele einladen; mein Vater hat es mir erlaubt!‹
    Und wirklich, der Herr Etatsrat hatte es erlaubt. Er hatte kürzlich herausgefunden, daß er eine Tochter habe, welche abends, wo die geröteten Augen ihm nicht selten ihren Dienst versagten, zum Vorlesen von Zeitungen und auch wohl amtlicher Aktenstücke trefflich zu gebrauchen sei; dann hatte er sich auch fernerer Vaterpflichten entsonnen und schließlich seine Tochter aufgefordert, ›die kleinen Fräulein‹, welche mit ihr in die Schule gingen, auf den Sonntag zu sich einzuladen.
    Nach geheimem Zwiesprach zwischen unseren Eltern wurde, wohl nicht ganz unbedenklich, meiner Schwester die Zusage gestattet, und Phia Sternow ging mit leuchtenden Augen weiter, um auch ihre übrigen Gäste einzuladen.
     
    Der Tag verging. Als wir übrigen im elterlichen Hause bei unserer Abendmahlzeit saßen und eben hin und her erwogen wurde, ob ich oder unser Kutscher meine Schwester von der etatsrätlichen Gesellschaft heimgeleiten solle, ging draußen die Haustür, und die Besprochene stand plötzlich vor uns, den Hut etwas verschoben auf dem Kopfe, ihren Umhang über dem Arm.
    ›Da bist du?‹ rief meine Mutter. ›Ist die Gesellschaft denn schon aus?‹
    ›Nein, Mutter – noch nicht; ich bin nur fortgelaufen.‹
    ›Fortgelaufen? – War’s denn nicht gut sein dort?‹
    ›Oh – ja, zuerst! Phia war reizend! Wir waren alle im Garten; die andern spielten Greif um die großen Rasen; Phia und ich aber saßen ganz allein miteinander auf dem Altan; wißt ihr, da in der Ecke, wo man nach dem Kirchhof hinübersieht. Sie kannte all die kleinen Kindergräber und erzählte so wunderbare Geschichten von den toten Kindern; man sah sie ordentlich mit ihren kleinen blassen Gesichtern zwischen den Kirchhofsblumen laufen; ihr könnt es euch nicht denken, so reizend und so unbeschreiblich traurig! Ich sah sie an und frug, ob sie das alles doch nicht nur geträumt habe; da fiel sie mit um den Hals und küßte mich.‹
    Meine Mutter hörte teilnehmend zu; mein Vater sagte: ›Das ist recht schön, Margrete; aber vor den toten Kindern bist du doch nicht fortgelaufen!?‹
    Meine Schwester nickte ein paarmal kräftig. ›Wart nur, Papa! – Um acht Uhr, nach dem Abendessen – es war übrigens sehr gut, zuletzt Schokoladenpudding mit Vanillecreme –, da kam der Herr Etatsrat zu uns in den Gartensaal. Es ist ganz gewiß, er mußte sich an eine Stuhllehne halten, als er uns seinen Diener machte; er ist so wunderlich gewachsen! Dann setzte er sich vor seinen Altar und spielte auf seiner Glasharmonika, und wir sollten danach tanzen. »Versteht ihr Menuett, kleine Fräulein? Trà-là-lalà-lalà-lalà!« Er sang das mit einer ganz fürchterlichen Stimme und sagte, es sei aus dem »Don Juan«. Aber wir konnten kein Menuett. »Immer zu Diensten der Damen!« rief er, und dann spielte er einen Walzer, und danach tanzten wir miteinander.‹
    ›Wo war denn der gute Archimedes?‹ frug ich dazwischen. ›An dem hättet ihr doch wenigstens einen Herrn gehabt.‹
    ›Der gute Archimedes? Ja, der kam auch mal herein und wollte mit mir tanzen; aber der Herr Etatsrat sagte, unsere Eltern würden es als sehr unschicklich vermerken, wenn er gestatten wollte, daß eine so junge männliche Person allein zwischen all den kleinen Fräulein tanze. Und so mußte er wieder zum Saal hinaus. Aber paßt nur auf, das Schlimmste kommt nun noch!‹
    Mein Vater lächelte doch. ›Was war denn das, Margrete?‹
    ›Ja, glaub nur, es war schlimm genug! So eine riesengroße silberne Bowle, ganz voll von Punsch, und so stark, ich glaube, ich wurde schon vom bloßen Riechen schwindlig! Und dabei sagte der schreckliche Mensch: »Das ist ein wenig Zuckerwasser für die Damen!« Eigentlich, weißt du, Papa, es schmeckte ganz gut; aber ich mußte doch greulich danach husten, als ich nur eben davon nippte. Der Herr Etatsrat aber trank gleich drei Gläser nacheinander, und er goß sich noch jedesmal etwas dazu aus einer kleinen Flasche, die er neben seinem Altar stehen hatte. – Und dann mußten wir wieder tanzen, und dann trank er auf unsere Gesundheit: »Die Rosen im Lebensgarten, die Damen leben hoch!« Sehr schön, nicht wahr? Wir mußten alle mit ihm anstoßen, und dann füllte er sein Glas wieder, bis er zuletzt einen Kopf hatte wie eine Feuerkugel – ganz greulich sah er aus! »Tanzet, kleine Fräulein, tanzet!« rief er immer; aber er konnte gar nicht mehr Takt

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