Wie ausgewechselt
Gelsenkirchen gespielt, mindestens einmal pro Woche.
»Da haben wir meist sechs gegen sechs oder fünf gegen fünf gepöhlt – wer eben Zeit hatte, kam vorbei. Alle möglichen Berufsgruppen waren dabei. Wenn mehr Leute mitmachen wollten, mussten wir auf dem kleinen Platz durchwechseln. Ich habe mich nicht gerne auswechseln lassen, die mussten mich schon fast runterziehen.«
Wegen eines Bandscheibenvorfalls musste er eine Zeit lang kürzertreten. Vor einigen Jahren sagte er über seinen Fitnesszustand:
»Ich bin zwar fit, aber der Spaß an vielen Dingen geht schon ein wenig verloren. Es knackt hier, zwickt da. Aber solange ich noch kicken kann, ist alles okay.«
Heute kann er nicht mehr Fußball spielen, und er vermisst es.
»Alles würde ich dafür geben, noch einmal 26 zu sein. Beim Fußballspielen konnte ich mir die Lunge aus dem Hals brüllen, laufen, schwitzen, mich austoben.«
Andere Sportarten hat er nie wirklich für sich entdeckt. Nicht einmal Golf, den Modesport der Fußballerszene. »Leider konnte ich ihn nicht dafür begeistern«, erzählt Huub Stevens. »Oft habe ich ihm gesagt: ›Probier das doch mal aus, das wäre was für dich‹ – nun geht es ja leider nicht mehr. Als ich Trainer beim Hamburger SV war, hat er mich einmal besucht, und wir sind auf die Driving Range. Ich hab ihm einen Eisenschläger gegeben, und er hat draufgehauen – unglaublich. Über 100 Meter hat er die Kugel weggeschlagen. Männi hätte es draufgehabt. Wenn einer fit ist in Ballsportarten, dann hat er auch ein Gespür für Golf.«
Stevens nennt Assauer Männi, von Manager. Diesen Spitznamen verwendet er exklusiv.
»Solange ich mich erinnern kann, haben mich alle ›Assi‹ gerufen, nicht Rudi und Rudolf erst recht nicht. Na ja, manchmal hat meine Mutter Rudi gesagt, und wenn es ernst wurde, sagte sie: ›Rudolf!‹ Mein Vater hat immer gesagt: ›Sohnemann, komm her.‹ Der hat nie meinen Vornamen gerufen. Und von den Lebensabschnittsteilzeitgefährtinnen haben alle Rudi gesagt. Der Rudolf war ich nie. Im Job sowieso nicht. Die meisten Spieler haben Manager oder Chef zu mir gesagt. Das hatte ich irgendwann so intus, dass ich mich umgedreht habe, wenn irgendwo jemand Chef gesagt oder gerufen hat. Manche haben – wenn ich es nicht hören konnte oder sollte – gefragt: Ist denn der Alte da?«
Nun ist der Chef erkrankt. An jemanden da oben, an einen Gott, richtet sich Assauer nicht. Beten, zumal für das eigene Wohlergehen, ist ihm fremd. Im Jahr 2006 tritt er aus der Kirche aus – was nichts mit seinem erzwungenen Abschied vom FC Schalke im selben Jahr zu tun hat. Trotz Taufe und Konfirmation hat die Kirche nie eine große Rolle in seinem Leben gespielt, da er von seinen Eltern nicht besonders religiös geprägt wurde. Nur bei Hochzeiten und Beerdigungen gab es Berührungspunkte. Aber auch die Krankheit hat ihn – im Gegensatz zu vielen anderen Alzheimerpatienten – nicht wieder enger an die Kirche und den Glauben herangeführt.
»Ich habe nie gebetet, habe nie an Gott geglaubt. Aber ich glaube schon, dass da oben irgendetwas ist, dass es da irgendjemanden gibt, der die Geschicke der Menschen lenkt. Es geht alles seinen Weg, so wie es vorherbestimmt ist. Auch mein Leben, auch meine Krankheit.«
Chronologie
geboren am 30. April 1944 in Altenwald/Saar
ab 6 Jahren: besucht mit Zwillingsschwester Karin die Augusta-Schule in Herten
ab 14 Jahren: beginnt eine Lehre als Stahlbauschlosser in Herten
April 1960: lernt seine Jugendliebe Sonya Gottschalg an seinem 16. Geburtstag kennen
1962: Vertrag bei der Spielvereinigung Herten, damals Regionalliga West, zwischendurch für ein halbes Jahr im Steinkohlenbergwerk auf Zeche Ewald in Herten und eineinhalb Jahre Wehrdienst bei der Bundeswehr in Unna (spielt in der Bundeswehrnationalmannschaft)
Juli 1964: Wechsel zu Borussia Dortmund, unterschreibt seinen ersten Profivertrag; beginnt parallel eine Bankkaufmannlehre in Dortmund
Mai 1965: DFB-Pokalsieger (wird im Finale gegen Aachen nicht eingesetzt)
3. Juli 1965: Tochter Bettina kommt zur Welt
5. Mai 1966: Europapokal-Sieger der Pokalsieger durch ein 2 : 1 n. V. im Finale von Glasgow gegen den FC Liverpool (bestreitet das komplette Endspiel)
6. Mai 1970: Tochter Katy wird geboren, seit Ende der 60er-Jahre ist Inge Lückert die Frau an seiner Seite und ab 1970 auch seine Ehefrau
Juli 1970: nach 119 Bundesligaspielen (8 Tore) für den BVB Wechsel zum SV Werder Bremen, Dortmund bekommt 150 000 DM Ablöse
3. April
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