Wie funktioniert die Welt?
randomisierte Experiment. Hinter dem entschieden unspektakulären Begriff verbirgt sich eine wirklich elegante Form, die in den Händen ihrer besten Anwender geradezu zur Kunst wird. Einfach formuliert, sind Experimente ein einzigartiges, leistungsfähiges Mittel, wenn man Antworten auf die Frage finden will, der Wissenschaftler quer durch die Fachgebiete nachgehen: Woher wissen wir, ob etwas funktioniert?
Nehmen wir beispielsweise eine Frage, die in der Presse jedes Jahr wiederauftaucht: Ist Rotwein förderlich oder schädlich für die Gesundheit? Über die Wirkung von Rotwein erfahren wir eine Menge, wenn wir Menschen nach ihren Konsumgewohnheiten und ihrer Gesundheit fragen und dann nach Korrelationen zwischen beiden Faktoren suchen. Um gezielt die Wirkung von Rotwein auf die Gesundheit abzuschätzen, müssen wir den Menschen aber zahlreiche Fragen stellen: nach allem, was sie zu sich nehmen (Lebensmittel, nützliche und schädliche Medikamente), nach ihren Lebensgewohnheiten (Bewegung, Schlaf, sexuelle Aktivität), ihrer Vergangenheit (Krankengeschichte, Krankheiten von Eltern und Großeltern) und und und; dann müssen wir versuchen, alle diese Faktoren unter Kontrolle zu bringen, um die Wirkung des Weins auf die Gesundheit isoliert zu betrachten. Man stelle sich nur vor, wie lange eine solche Umfrage dauern würde.
Randomisierte Experimente gehen an die Frage, wie Rotwein wirkt, ganz anders heran. Wir gehen davon aus, dass Menschen sich in den vielen zuvor beschriebenen Aspekten (und anderen) unterscheiden, aber dieser Varianz tragen wir Rechnung, indem wir die Menschen nach dem Zufallsprinzip bitten, Rotwein zu trinken oder nicht. Wenn Menschen, die Donuts essen und sich nie körperlich betätigen, mit gleicher Wahrscheinlichkeit der »Therapiegruppe« oder der »Kontrollgruppe« zugeordnet werden, können wir die durchschnittliche Wirkung des Rotweines mehr oder weniger unabhängig von der wahrscheinlichen Wirkung anderer Faktoren einigermaßen anständig abschätzen. Das hört sich einfach an, und, nun ja, es ist auch einfach – aber immer wenn ein einfaches Verfahren so viele Ergebnisse erbringt, ist »elegant« der zutreffendere Begriff.
Der Aufstieg der experimentellen Sozialwissenschaft, der in den 1950 er Jahren – unter anderem durch Meiers Beiträge – begann, hat sich in den letzten Jahren mit der Durchführung randomisierter Experimente explosionsartig verstärkt, da das Spektrum der Fachgebiete nun von der Medizin (Erprobung von Verfahren wie der kognitiven Verhaltenstherapie) bis zur Politikwissenschaft (Experimente zur Wahlbeteiligung) und vom Erziehungswesen (Bezahlung von Kindern für gute Noten) bis zur Wirtschaft (Förderung von Sparverhalten) reicht. Die experimentelle Methode fließt mittlerweile auch in die Politik ein und entfaltet dort ihre Wirkungen: Präsident Obama ernannte den Verhaltensökonomen Cass Sunstein zum Leiter des Office of Information and Regulatory Affairs, und Premierminister David Cameron richtete ein Behavioural Insights Team ein.
Randomisierte Experimente sind aber keineswegs ein vollkommenes Erklärungshilfsmittel. Manche wichtigen Fragen eignen sich einfach nicht für randomisierte Experimente, und in den falschen Händen kann die Methode auch Schaden anrichten – ein Beispiel ist das berüchtigte Syphilisexperiment von Tuskegee. Ihre immer breitere Anwendung spricht aber dafür, wie flexibel sie uns neue Erkenntnisse darüber verschaffen können, wie Dinge funktionieren und warum sie so funktionieren.
Lawrence M. Krauss
Die Vereinigung von Elektrizität und Magnetismus
Physiker/Kosmologe, Arizona State University; Autor von A Universe from Nothing
Keine mir bekannte Erklärung aus der neueren Wissenschaftsgeschichte ist so schön, tiefgreifend und letztlich auch elegant wie die im 19 . Jahrhundert formulierte Beschreibung der bemerkenswerten Verbindung zwischen zwei vertrauten, aber scheinbar ganz unterschiedlichen Naturkräften: Elektrizität und Magnetismus. Für mich repräsentiert sie Naturwissenschaft in ihrer schönsten Form: Sie führte erstaunliche empirische Entdeckungen auf gewundenen Wegen mit einem bemerkenswert einfachen, eleganten mathematischen Rahmen zusammen, der weit mehr erklärte, als man ursprünglich gedacht hatte, und nebenher entstand dabei die Technologie, die unsere moderne Zivilisation antreibt.
Seltsame Experimente mit springenden Fröschen und elektrischen Stromkreisen führten letztlich dazu, dass Michael Faraday,
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